Brockmann Suzanne
die ganze Sache wie eine Erwachsene zu behandeln und auch weiterhin seine Freundin zu bleiben.
Aber nicht, wenn er sie gar nicht als Freundin wollte.
Als sie vor dem Tor des Anwesens zum Halten kam, schossen ihr Tränen in die Augen.
Die Farm der Robinsons war immer voller Leben gewesen. Selbst mitten in der Nacht war dieser Ort von einer ganz besonderen Atmosphäre umgeben gewesen. Die Lichter waren immer an gewesen, und man hatte stets das Gefühl gehabt, nach Hause zu kommen. Doch jetzt wirkte das Anwesen vollkommen verlassen. Die dunklen Fenster des Hauptgebäudes sahen leer und traurig aus. Heruntergerissenes Absperrband wirbelte im Wind.
Und an der Pforte hing auch schon das „Zu verkaufen“-Schild eines Maklers.
Nell war empört. Jake war noch keine zwei Wochen tot, und schon verkaufte man seine geliebte Farm?
Doch dann begriff sie plötzlich.
Die Farm bedeutete Jake nichts mehr. Wer auch immer sie geerbt hatte, hatte offenbar eingesehen, dass niemandem geholfen war, wenn man sie behielt. Und es würde ganz sicher Jake nicht zurückbringen – egal, wo er jetzt war.
Wo auch immer er jetzt war …
Wo auch immer er war – sie hoffte, dass er Daisy wiedergefunden hatte. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie Daisy und Jake tanzen sehen. Das Bild war ganz deutlich und real. Vor ihrem geistigen Auge waren sie beide lebendig und glücklich miteinander.
Es war schon traurig. Selbst als Geister schienen Jake und Daisy irgendwie lebendiger zu sein als Nell und Crash.
Die beiden Überlebenden waren ausgerechnet die beiden, die sich nicht gestatteten zu leben. Sie waren schon so ein Paar – der eine tötete absichtlich jedes aufkeimende Gefühl in sich ab, und der andere traute sich nicht, das Leben voll auszukosten.
Nur, dass Nell inzwischen keine Angst mehr hatte.
Sie hatte in jener Nacht aufgehört, Angst zu haben, als sie herausfand, dass Jake gestorben war und Crash überlebt hatte. Er lebte noch, und sie würde ihm verdammt noch mal eine Freundin sein, ob es ihm gefiel oder nicht.
Er war noch am Leben. Und sie würde um ihn kämpfen. Sie würde tun, was sie tun musste, um der ganzen Welt klarzumachen, dass er unschuldig war, dass er zu Unrecht angeklagt war.
Um genau zu sein, würde sie jetzt nach Hause fahren und als Erstes morgen früh ihre Liste mit Pressekontakten raussuchen. Sie würde alle ihr bekannten Reporter und Journalisten zusammentrommeln. Und dann würde sie eine Pressekonferenz abhalten.
Und sie würde verdammt noch mal dafür sorgen, dass die ballistische Untersuchung wiederholt wurde.
Zur Hölle mit ihrer Angst! Sie wäre sogar bereit, auf Skiern den Mount Washington herunterzufahren und dabei ein Banner zu schwenken, das Crashs Unschuld beteuerte. Wenn es nur etwas half.
Nell wendete und machte sich auf den Heimweg.
Es war vier Uhr morgens, aber in ihrer Straße gab es einen Stau.
Ein Stau, der von vier Feuerwehreinsatzwagen und mehreren Übertragungswagen von Journalisten verursacht wurde, die die gesamte Straße versperrten.
Ihr Haus stand in Flammen.
Sie parkte erst gar nicht. Sie stellte einfach mitten auf der Straße den Motor ab und sprang aus ihrem Auto.
Sie spürte die Hitze, obwohl sie mehrere hundert Meter entfernt stand. Aus jedem Fenster ihres Hauses schlugen Flammen.
„Sie müssen dieses Auto hier wegfahren“, sagte ein Feuerwehrmann zu ihr.
„Ich kann nicht“, erwiderte sie wie in Trance. „Meine Garage brennt.“
„Sind Sie die Eigentümerin?“
Sie nickte. Sie war die Hauseigentümerin – aber ihr Eigentum würde in Kürze nichts weiter sein als ein kleines Häuflein Asche.
„Hey, Ted, wir haben die Dame ausfindig gemacht, die hier wohnt.“
Ein anderer, kleinerer Mann kam auf sie zu. Sein Helm wies ihn als den Einsatzleiter der Feuerwehr aus. „Befinden sich noch andere Personen im Haus?“, fragte er.
Nell schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Gott sei Dank!“ Er hob die Stimme an und schrie: „Da ist niemand mehr drin. Alle Mann raus! Pronto!“
„Wie konnte das passieren?“
„Wahrscheinlich eine elektrische Leitung, die durchgebrannt ist“, erklärte der Einsatzleiter. „Es hat vielleicht klein angefangen, aber so ein altes Haus brennt schnell lichterloh. Besonders um diese Jahreszeit. Genaueres lässt sich erst sagen, wenn das Feuer gelöscht ist und wir reingehen können. Wie auch immer, Sie hatten Riesenglück, dass Sie nicht zu Hause waren. Sonst könnten wir jetzt wahrscheinlich nur noch Ihre Leiche bergen.“
Sie hatte
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