Brockmann Suzanne
Glück gehabt.
Sie hatte unglaubliches Glück gehabt. Nell konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal um diese Uhrzeit noch wach gewesen war. Nicht nur wach, sondern auch außer Haus. Sie hatte wirklich verdammtes Glück gehabt!
Sie versuchte inständig, glücklich zu sein, während sie auf der nächtlichen Straße stand und zusah, wie alles, was sie besaß, mit Ausnahme ihres Autos und der Kleidung, die sie am Leibe trug, in Flammen aufging. Dort drinnen verbrannten gerade einige Dinge, die sie niemals ersetzen konnte. Fotos. Sie hatte ein wunderbares Foto von sich, Crash und Jake, das Daisy gemacht hatte. All ihre Bücher und CDs, das Porzellan ihrer Großmutter, Daisys einmalige Aquarelle. Alles verloren. Sie war nur zwei Stunden weg gewesen, und jetzt war fast alles, was ihr etwas bedeutet hatte, vernichtet.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie kämpfte dagegen an. Sie hatte Glück gehabt, verdammt noch mal. Sie hätte sterben können.
Es dämmerte bereits, als das Feuer endlich gelöscht war. Als sie das Versicherungsformular ausgefüllt hatte, war der Morgen schon längst angebrochen.
Nell fuhr zum Ritz-Carlton – einem der schicksten Hotels am Platze – und nahm sich ein sehr teures Zimmer. Das hatte sie sich verdient.
Sie war erschöpft, aber sie nahm sich trotzdem die Zeit, Captain Franklins Büro anzurufen. Sie hinterließ ihm die Telefonnummer ihres Hotelzimmers mit der Bitte, sie sofort anzurufen, sollte er etwas über Crashs Aufenthaltsort in Erfahrung bringen.
Hundemüde zog Nell sich aus, kletterte in das Hotelbett und fiel beinahe sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
11. KAPITEL
D ie Vorhänge standen ein paar Zentimeter auf, und Crash schloss sie geräuschlos.
Sie waren aus dickem Stoff und boten effektiven Schutz vor den letzten Strahlen der blassen, spätnachmittäglichen Wintersonne.
Er lehnte die Badtür an, sodass sie nur einen kleinen Spalt breit offen stand, und schaltete das Licht im Badezimmer an.
Jetzt würde der Raum nicht mehr stockdunkel sein, sondern ein wenig dämmrig. Er ging zurück in das andere Zimmer. Ja, es war hell genug, um Nells schlafendes Gesicht zu sehen.
Sie lag zusammengerollt in der Mitte des riesigen Hoteldoppelbettes. Die Decke hatte sie sich bis zum Kinn gezogen. Sie schlief tief, mit fest geschlossenen Augen.
Crash stand ei nen Mo ment lang da und be ob ach te te sie. Er wünschte, dass er sie nicht wecken müsste. Und er wünschte noch vieles mehr, was er niemals haben könnte. Aber es blieb jetzt keine Zeit, sie schlafen zu lassen, geschweige denn Zeit für die anderen Dinge, die er sich vorstellte.
„Nell“, raunte er ihr leise zu.
Sie reagierte nicht.
Er stieß mit seiner Zehenspitze vorsichtig an den Bettrahmen und wiederholte: „Nell, es tut mir leid, aber du wirst aufwachen müssen.“
Nichts.
Er setzte sich auf die Bettkante und beugte sich über sie, um sie sachte an der Schulter zu rütteln. „Nell.“
Sie schlug ihre Augen auf, und sie wurden vor Angst ganz groß.
Crash merkte erst jetzt, dass er einen Fehler gemacht hatte. Durch das Badezimmerlicht hinter ihm konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Alles, was Nell gerade sah, war der große schwarze Umriss einer Person, die sich in unbestimmter Absicht über sie beugte.
Sie holte tief Luft, um zu schreien, und er legte rasch seine Hand über ihren Mund. „Nell, schhh! Ich bin’s. Crash. Billy. “
Sie setzte sich zitternd auf und hätte sich beinahe vor Erleichterung in seine Arme geworfen. Als sie seine Hand abgeschüttelt hatte, sagte sie atemlos: „Billy! Gott sei Dank! Du hast mich zu Tode erschreckt! Ein Glück, es geht dir gut!“ Sie lehnte sich ein Stück zurück, um ihn zu betrachten. „Es geht dir doch gut?“
Sie roch so gut! Crash wünschte sich nichts mehr, als sein Gesicht in ihren Haaren zu vergraben und einfach so hier sitzen zu bleiben – mit ihr in seinen Armen auf dem Bett. Aber das war nicht der Grund, aus dem er hier war.
Außerdem schien Nell es nach der ersten Umarmung aus Erleichterung nicht minder eilig zu haben, wieder Abstand von ihm zu gewinnen.
Als er sie losließ, zog auch sie ihre Hände schnell zurück und umarmte stattdessen ihre angewinkelten Knie. Crash erhob sich. „Ich kann nicht glauben, dass du hier bist. Wie hast du mich gefunden?“
Ihre tiefe, leicht raue Stimme klang so vertraut. Himmel, wie er sie vermisst hatte! Er musste sich wirklich von ihr fernhalten, sonst würde er wieder Dinge tun wollen, die er
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