Brockmann Suzanne
in den letzten vierzig Jahren zu einem der wichtigsten Häfen für Drogenschmuggler geworden ist. Als die Vereinigten Staaten anfingen, den Drogenhandel an seinen Wurzeln zu bekämpfen, hat unsere Regierung versucht, eine Kooperation mit der Regierung dieses Inselstaates zu begründen. Bis vor Kurzem waren die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten gut und gewinnbringend für beide Seiten“, fuhr er fort.
Nell lehnte ihren Kopf gegen die Nackenstütze und sah Crash beim Fahren zu. Er war ein guter Autofahrer. Er sah in die Spiegel und hatte beide Hände am Lenkrad. Sie fühlte sich sicher neben ihm – auch wenn er die Liste der meistgesuchten und gefährlichsten Männer des Landes anführte.
„Aber vor ziemlich genau sechs Monaten war ich Teil eines Einsatzkommandos, das auf dieser Insel eine Trainingseinheit abhalten sollte. Ich hatte vorübergehend einen Ruf in die Alpha Squad, eine Eliteeinheit der SEALs, angenommen. Wir gingen zusammen mit vier FInCOM-Agenten auf die besagte Insel, um ihnen in einer Art Trainingslager zu beweisen, wie stark wir im Kampf gegen Terroristen waren. Es war geplant, eine Geiselbefreiung nachzustellen. Unsere vermeintlichen Gegner waren Marines; sie spielten die Rolle der Tangos.“
„Tangos?“ , unterbrach Nell ihn. „Da komm ich nicht mit.“
„Tut mir leid. Tango steht im Funkalphabet für den Buchstaben T , und der wiederum steht für Terrorist.“
„Okay. Verstanden. Sprich weiter“, ermunterte sie ihn.
„Als wir an Land gingen, fanden wir uns jedoch urplötzlich in einem der größten Schlamassel wieder, die ich persönlich in einem Trainingseinsatz je erlebt habe. In dem Lager, aus dem wir die vermeintliche Geisel befreien sollten, fanden wir zwei KIAs.“ Bevor sie nachfragen konnte, fügte er an: „Zwei Marines, killed in action – im Kampf gefallen.“
„Mein Gott.“ Nell richtete sich auf; sie lauschte gebannt. „Was war passiert?“
Er sah sie an. „Anscheinend war es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen zwei verfeindeten Drogenbossen gekommen, während wir vom Schiff zum Trainingslager unterwegs waren.“
„Gewalttätige Auseinandersetzung. Das heißt so etwas wie ein Schusswechsel zwischen zwei verfeindeten Banden?“
„Ja, irgendwie schon“, bestätigte Crash. „Nur würde ich nicht von Banden sprechen. Beide Drogenbosse hatten riesige Privatarmeen, die mit modernster Technologie ausgestattet waren. Wir sprechen hier von Tausenden von Männern und erstklassigen Waffen. Diese Armeen waren mächtiger als die Armee der Regierung. Was an diesem Tag in dem Inselstaat begann, war eher ein ausgewachsener Bürgerkrieg als ein Schusswechsel.“ Wieder sah er zu ihr hinüber. „Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Männer, denen diese Armeen gehörten, lag weit über dem gesamten Bruttosozialprodukt ihres Landes. Einer von ihnen war ein amerikanischer Auswanderer namens John Sherman – ein ehemaliger Green Beret. Sehr zum Ärger der Armee.“
Nell nickte. Dass die Green Berets die dienstälteste Spezialeinheit der Army war und die Soldaten ihrer grünen Barette wegen so genannt wurden, wusste sie.
„Der andere war ein Einheimischer namens Kim“, fuhr Crash fort. „Sie nannten ihn ‚den Koreaner‘, obwohl seine Mutter von der Insel stammte, aber sein Vater kam wohl von dort. Sherman und Kim waren sich jahrelang nicht in die Quere gekommen und hatten das Territorium des jeweils anderen respektiert. Mehr als einmal hatten sie sich sogar gegenseitig ausgeholfen. Aber an genau jenem Tag, an dem wir die Insel betraten, beschlossen sie wohl, ihre geheime Absprache zu brechen. Und als sie aufeinanderknallten, gerieten viele unschuldige Menschen zwischen die Fronten.“
Er atmete tief durch. „Es war nicht leicht, aber es ist uns schließlich gelungen, die gesamte Alpha Squad und die überlebenden Marines von der Insel zu schaffen. Die Kämpfe dauerten mehrere Tage an. Als der Rauch sich schließlich lichtete, gab es Zehntausende Opfer. Der materielle Schaden ging in die Millionen. Das einzig Gute, das bei der ganzen Sache herauskam, war, dass sowohl Sherman als auch Kim in den Kämpfen getötet wurden.“
Er schwieg für eine Weile und lauschte dem Geräusch der Scheibenwischer, der nicht zum Takt des Weihnachtsliedes passte, das gerade aus dem Radio ertönte: „Rockin’ Around the Christmas Tree.“
„Was ich nicht verstehe“, sagte Nell schließlich, „ist, wo es hier etwas zu vertuschen gibt. Du sagtest, jemand
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