Brockmann Suzanne
wolle etwas vertuschen.“
„Die Datei, die Jake mir zugeschickt hatte, enthielt eine Kopie einer geheimen Befragung von Kims Witwe“, erklärte Crash. „Sie behauptete, dass sie eine Unterhaltung zwischen ihrem Mann und einem amerikanischen Navy Commander mit angehört hätte. Der Amerikaner habe angedeutet, dass man Kim in seinem Drogenhandel freie Hand lassen würde, wenn er sich bereit erklärte, im Gegenzug Sherman und seine Armee zu zerstören. Es gibt aber keinen einzigen Offizier in der US Navy – Admiräle eingeschlossen –, der die Befugnis hat, einen solch krummen Deal abzuschließen. Doch offenbar wusste Kim das nicht. Man einigte sich, und der Koreaner begann einen Überraschungsangriff auf Shermans Hauptquartier zu planen. Aber dann drang die Nachricht von Kims vermeintlichem Deal mit den Amerikanern und seinem drohenden Überfall irgendwie zu Sherman. Soweit wir das nachvollziehen konnten, hat Kims Frau ihn verraten. Jedenfalls schlug Sherman zuerst zu. Von diesem ersten Angriff wurden auch unsere Marines überrollt und zwei von ihnen getötet.“
Crash blickte Nell an. Ihr Gesicht wurde nur schwach durch das grünliche Licht des Armaturenbretts erleuchtet, aber er konnte trotzdem sehen, dass sie ihm aufmerksam zuhörte. Ja, sie schien beinahe an seinen Lippen zu hängen.
Es war eindeutig, dass sie ihm vertraute. Sie glaubte ihm jedes Wort. Selbst jetzt noch – nach all den Briefen, die er unbeantwortet gelassen hatte und all den Anrufen, die er sich in letzter Sekunde verboten hatte, hatte sie ein unerschütterliches Vertrauen zu ihm. Irgendetwas in seinem Inneren zog sich schmerzhaft zusammen. Es wurde ihm deutlicher denn je bewusst, dass er damals, vor bald einem Jahr, als er Nell an diesem kalten Januarmorgen aus seinem Schlafzimmer gehen hatte lassen, viel mehr verloren hatte, als er es sich jemals erträumt hätte.
Und jetzt war es zu spät.
Er hielt das Lenkrad fest umklammert und redete sich selbst ein, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, sie gehen zu lassen. Er war in den letzten zwölf Monaten gerade mal fünf Wochen zu Hause gewesen. Die restliche Zeit hatte er mit Überseeeinsätzen verbracht. Natürlich hatte er sich zu all diesen Einsätzen freiwillig gemeldet. Wenn er gewollt hätte, hätte er die meiste Zeit auch in den Staaten verbringen können.
Und trotzdem – was er fühlte und wollte, war nicht wirklich ausschlaggebend.
Die Realität sah heute genauso aus wie vor einem Jahr: Nell verdiente etwas Besseres, als er ihr geben konnte. Natürlich fand Crash, dass sie auch etwas Besseres als Dexter Lancaster verdiente, aber der Anwalt schien durch seine bloße Verfügbarkeit bei ihr zu punkten.
„Hey“, unterbrach Nell seinen Gedankenfluss. „Erzählst du mir jetzt den Rest der Geschichte, oder muss ich erst Geld in den Automaten werfen?“
Crash musste lächeln. „Tut mir leid. Ich war in …“
„… Gedanken“, vollendete sie den Satz für ihn. „Ich weiß. Du hast darüber nachgedacht, wie du diesen Commander finden kannst, richtig?“
„So ähnlich.“
„Bist du denn sicher, dass das Ganze nicht nur auf Gerüchten basiert? Man kennt das ja: Irgendetwas läuft schief, alle versuchen, einen Schuldigen zu finden.“
„Hinterher gab es jede Menge Gerüchte“, gab er zu. „Es gab Leute, die glaubten, dass die USA tatsächlich einen Pakt mit Kim geschlossen hatten. Es gab sogar Leute, die meinten, dass das Gerücht von einem vermeintlichen Pakt mit Kim von den Vereinigten Staaten selbst gestreut worden war, um Sherman herauszufordern. Aber nichts davon ist wahr. Ich bin über die Entwicklungen in diesem Inselstaat ganz gut informiert und ich weiß sicher, dass es viel eher im Interesse der USA gewesen wäre, alles so weiterzuführen wie bisher.“
Er runzelte die Stirn. „Wenn dieser Commander tatsächlich einen Pakt mit Kim geschlossen hat – und alles deutet darauf hin, dass er das hat –, dann ist er alleine für einen Bürgerkrieg mit Tausenden ziviler Opfer verantwortlich. Ganz zu schweigen davon, dass unsere Zusammenarbeit mit diesem Inselstaat nachhaltig gestört ist – das Vertrauen in die USA als Partner hat dort schwer gelitten. All die Arbeit, die wir dort in den Kampf gegen den Drogenhandel gesteckt haben, war für die Katz. Das Programm ist auf einen Stand von vor zwanzig Jahren zurückkatapultiert worden.“
„Aber wenn du keinen Hinweis darauf hast, wer dieser Commander ist, wie willst du ihn dann finden?“, fragte Nell.
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