Brodecks Bericht (German Edition)
duftete. Sie legte noch zwei Scheite in den Kamin, sodass kleine goldene Funken sprühten, dann verschwand sie wieder.
«Du warst anders als die anderen, Brodeck», sprach der alte Lehrer weiter. «Nicht, weil du aus einer anderen Gegend stammst. Du warst nicht wie die anderen, weil du immer hinter die Dinge geblickt hast, du wolltest immer das sehen, was nicht offensichtlich war.»
Er schwieg, aß bedächtig eine Kastanie, trank einen Schluck Wein und warf die Schalen ins Feuer.
«Aber nun zu deinen Füchsen. Weißt du, der Fuchs ist ein merkwürdiges Tier. Man sagt ihm nach, er sei schlau, aber er ist noch viel mehr als das. Die Menschen haben ihn immer verachtet, wahrscheinlich weil er ihnen zu ähnlich ist. Er jagt, um sich zu ernähren, aber manchmal tötet er auch nur zum Vergnügen.»
Nach einer Pause sprach Limmat nachdenklich weiter: «So viele Menschen sind gestorben in letzter Zeit, in diesem Krieg, das weißt du besser als irgendein anderer von uns. Vielleicht machen die Füchse es uns nur nach, wer weiß?»
Ich habe mich nicht getraut, meinem alten Lehrer zu sagen, dass ich so etwas auf keinen Fall in meinen Bericht schreiben könne. Die Beamten, die meine Berichte lesen – falls überhaupt noch jemand liest, was ich schreibe –, würden kein Wort verstehen, sondern vielleicht glauben, ich sei verrückt geworden. Und dann kämen sie möglicherweise auf den Gedanken, ganz auf meine Dienste verzichten zu können, sodass das wenige Geld, womit ich aber unsere Familie ernähre, ganz ausbliebe.
Ich bin noch eine Weile bei Limmat geblieben. Wir sprachen nicht mehr über die Füchse, sondern über eine kranke Buche, die hinten im Bösental geschlagen worden war und die nach Auskunft der Holzfäller über vierhundert Jahre alt war. Limmat rief mir in Erinnerung, dass in fernen Ländern, unter günstigeren klimatischen Bedingungen, Bäume wachsen, die mehr als zweitausend Jahre alt werden können. Das hatte er mir schon erzählt, als ich noch ein Kind war. Damals hatte ich gedacht, dass Gott, falls es ihn überhaupt noch gab, ein eigenartiger Kauz war, wenn er Bäume in aller Seelenruhe viele Jahrhunderte lang wachsen ließ, während die Menschen ein kurzes und beschwerliches Leben leben mussten.
Ernst-Peter Limmat schenkte mir zwei Girlanden mit Totentrompeten, brachte mich zur Tür und erkundigte sich dabei erst nach Fédorine und dann nach Emélia und Poupchette, wobei er mich ernst und sanft ansah.
Draußen regnete es immer noch. Aber jetzt mischten sich auch einige schwere Schneeflocken darunter. Mitten auf der Straße floss ein schmaler Bach und ließ das Sandsteinpflaster glänzen. Die kalte Luft roch nach Rauch, Moos und Unterholz. Ich steckte die Pilze unter meine Jacke und ging zurück nach Hause.
Ich hatte auch Mutter Pitz nach dem Tod der Füchse gefragt. Ihr Gedächtnis ist nicht so gut wie das meines alten Lehrers, und sie ist auch keine Expertin, was Wild und Schädlinge angeht, aber als sie noch das Vieh auf die Sommerweide brachte, ist sie oft in alle Himmelsrichtungen durch Wälder, über Hochweiden und Bergpfade gewandert, sodass ich gehofft hatte, sie würde mir weiterhelfen können. Nachdem ich die Aussagen verschiedener Zeugen miteinander verglichen hatte, war ich zu dem Ergebnis gekommen, dass vierundzwanzig tote Füchse gefunden worden waren, ziemlich viele also, wenn man es recht bedenkt. Aber leider hatte Mutter Pitz nichts von einem solchen Phänomen gehört, und ich verstand schnell, dass ihr die Angelegenheit im Grunde vollkommen gleichgültig war.
«Sollen sie doch alle krepieren, ich würde mich freuen! Letztes Jahr haben sie meine drei Hühner mit ihren Küken geholt. Und sie haben sie noch nicht einmal gefressen, nur zerfetzt, und sind dann wieder verschwunden. Deine Füchse sind richtige Mistviecher, sie sind das Messer nicht wert, mit dem man ihnen die Kehle durchschneidet.»
Mir zuliebe hatte sie ihr Schwätzchen mit Frieda Niegel unterbrochen, einer buckligen Frau die immer nach Stall riecht, mit Augen wie eine Elster. Die beiden besprechen gern, wie es um sämtliche Witwer und Witwen des Dorfes und der umliegenden Weiler steht und ob nicht die eine oder andere Ehe zu stiften wäre. Sie schreiben die Namen auf Kärtchen und schieben diese, wie bei einem Kartenspiel, eifrig stundenlang hin und her, bilden Paare und trennen andere und trinken, während die Zeit vergeht, ihren Brombeerlikör aus kleinen Gläsern. Mir war klar, dass ich störte.
Aus alledem zog ich
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