Broken (German Edition)
kam. Der Mann hat gesagt, sie würde ihm gehören. ‹Ich bin in dieser Welt der Einzige, der sich für dich interessiert›, hat er zu ihr gesagt.» Sie hob die Augen. «Er hat die Wahrheit gesagt. Keiner interessiert sich für eine schwarzhäutige junge Frau. Für euch ist sie bloß eine Prostituierte. Bloß eine Drogensüchtige. Aber sie ist auch unsere Tochter …» Die letzten Worte schnürten ihr die Kehle zu.
«Tomah», schalt Dolo sie. «Sie sind hier, um zu helfen.»
Aber Tomah Doe war noch nicht fertig. Ich stellte mir vor, wie oft sie den Wunsch gehabt hatte, ihre Wut in Worte zu fassen. «Die Polizei erzählt dir, wie oft deine Tochter wegen Prostitution und Drogenbesitz verhaftet wurde», sagte sie zu uns. «Sie erzählt dir, dass Prostituierte sich selbst in Gefahr bringen.» Tränen überschwemmten ihre Augen. Ihr Stuhl schrappte über den Linoleumboden, als sie vom Tisch wegrückte. Dolos Finger packten ihren Unterarm.
«Wir hatten Fatu schon lange an die Straße verloren», sagte er zu uns. «Eben noch war sie ein kleines Kind, und dann hatten wir sie plötzlich verloren.» Er ließ Tomahs Unterarm los, streichelte ihre Hand. «Als unsere Tochter ermordet wurde, war sie gerade erst zwei Wochen wieder zu Hause.»
«Ich habe Kinder», sagte Rauser zu meiner Verblüffung. Er war nicht der Typ für Vertraulichkeiten. «Sie sind inzwischen erwachsen, aber es würde mich schier umbringen, wenn ich das durchmachen müsste, was Sie durchgemacht haben. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um den Mörder Ihrer Tochter zu fassen. Alles, woran Sie sich erinnern, könnte hilfreich sein. Alles. Sie können mich Tag und Nacht anrufen.» Er schob seine Karte auf den Tisch.
«Dieser Mann, er hat sie nicht in Ruhe gelassen», sagte Tomah leise, und ihre Stimme war wieder ruhiger. «Er hat oft angerufen. Fatu ist nie rangegangen. Und wenn doch, hat sie sofort aufgelegt.»
«Hat sie etwas für ihn empfunden?»
«Nein. Er hatte ihr Dinge versprochen. Das war der Reiz für sie. Aber es war alles gelogen. Er hatte nichts, dieser Mann. Er war bloß eine Plage für sie.»
«Wissen Sie, was er beruflich macht?», fragte Rauser.
«Nein. Das hat meine Tochter nie erzählt.»
«Wissen Sie, wie sie sich kennengelernt haben?»
«Wir waren vorsichtig mit unseren Fragen. Wir hatten Angst vor den Antworten.» Dolo sagte das leise.
«Können Sie uns sagen, wann genau Sie sie das letzte Mal gesehen haben?»
«Sie ging sehr schnell unsere Straße hoch, das Handy am Ohr», erwiderte Dolo. «Wir wollten, dass sie zu Hause blieb und sich schonte. Aber sie war jung. Sie wollte ausgehen, unter Leute kommen. Wir hatten Angst, dass das wieder Ärger bedeuten würde und Drogen.» Er schüttelte den Kopf. «So oft, wenn wir mit Fatu reden wollten, haben wir uns am Ende angeschrien.»
«Es wurde kein Handy bei ihr gefunden», sagte Rauser. «Wir haben auch keine Telefonnachweise gefunden.»
«Mr. R. hat ihr das Handy geschenkt», antwortete Tomah. «Auch darüber haben wir uns gestritten. Das war ein Mittel, sie an sich zu binden. Sie wollte Dinge, die wir ihr nicht geben konnten.»
«Haben Sie das Handy noch?»
«Wir haben es nie wiedergesehen», sagte Mr. Doe.
Rauser und ich wechselten einen Blick. Das war ein ziemlich starkes Indiz dafür, dass Mr. R. Fatus Mörder war. Er hatte das Handy wahrscheinlich wieder an sich genommen und zerstört, weil er wusste, dass die Telefonnachweise zu ihm führen würden.
«Als sie noch auf der Straße war», sagte Rauser behutsam, «wissen Sie, wo?»
«Sie hat uns nur ein einziges Mal angerufen, damit wir sie abholen kommen», sagte Dolo. «Als sie bereit war, sich helfen zu lassen. Wir sind zum Majestic Diner gefahren. Da hat sie auf uns gewartet. Sie war so dünn. Und sie hatte ein geschwollenes Auge. Irgendwer hatte sie geschlagen.»
Der Majestic Diner in Midtown. Schon wieder Midtown. Der gemeinsame Nenner. Das Revier unseres Täters. «Hatte Ihre Tochter an dem Tag, als sie starb, irgendeinen Grund zum Feiern? Geburtstag oder so?»
«An dem Tag», sagte Tomah, «hatte sie morgens in ihrer Nachbetreuungssitzung einen orangenen Schlüsselanhänger bekommen, weil sie seit dreißig Tagen drogenfrei war.»
«Ist ihr Zimmer noch so, wie es war?»
Sie wechselten einen beklommenen Blick. «Wir haben lange damit gewartet», sagte Dolo nach einem Moment. «Wir haben um Fatu getrauert. Doch dann mussten wir unser eigenes Leben wieder in den Griff
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