Broken (German Edition)
Was ist die jeweilige Todesursache? Besteht eine Verbindung zu anderen Serienmordfällen?
«Der erste Mord wurde vor circa elf Monaten verübt», teilte Hicks den Medienvertretern mit. «Bei dem ersten Opfer handelt es sich um eine zweiundzwanzigjährige Frau namens Fatu Doe, die in Clarkston wohnhaft war. Opfer Nummer zwei und drei sind Troy Delgado, dreizehn Jahre alt, und Donald Kelly, neunzig Jahre alt. Beide waren wohnhaft in Atlanta. In allen drei Fällen wurde das gesicherte Beweismaterial kriminaltechnisch untersucht. Laut Zeugenaussagen handelt es sich bei dem noch nicht identifizierten Verdächtigen um einen männlichen Weißen, zwischen eins achtundachtzig und eins zweiundneunzig groß, braunes Haar. Er wurde mit schwarzen, dick besohlten Schuhen gesehen, Größe siebenundvierzig. Er trägt sie möglicherweise beruflich oder aus orthopädischen Gründen.» Hicks nickte seinem Lieutenant vom Morddezernat zu und trat dann beiseite.
Diesen Teil seines Berufs fand Rauser unangenehm. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und beugte sich zu einem Mikrophon vor, das zu tief für ihn eingestellt war. «Denken Sie über Ihre Freunde und Nachbarn nach. Überlegen Sie, ob einer von ihnen in letzter Zeit ohne ersichtlichen Grund für längere Zeiträume verschwunden ist. Haben sich ihre Gewohnheiten verändert? Sind sie irgendwie unberechenbar geworden? Der Täter legt möglicherweise obsessive Verhaltensweisen an den Tag, die sich auf Dinge wie die hier abgebildeten richten könnten.» Er hielt ein Foto von dem Geschenkband hoch, das wie zum Schmuck um Fatu Does Fußknöchel gebunden gewesen war, und eins von dem Luftballon, der neben Troy Delgados Leiche gelegen hatte, um dann von der psychologischen Skizze abzulesen, die ich im Wartezimmer des Krankenhauses erstellt hatte. «Der Täter ist etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt. Er hat möglicherweise als Kind ein schweres Trauma erlitten, könnte vernachlässigt oder misshandelt worden sein. Der Täter zeigt womöglich Symptome von Paranoia, fühlt sich schnell kritisiert, negativ beurteilt. Er ist überempfindlich. Er ist introvertiert und arbeitet am liebsten allein. Er kann unangemessen aufbrausend auf vermeintliche Kränkungen oder Respektlosigkeiten reagieren. Er hat zeitweise depressive Schübe. Er liest gern. Er hat Probleme in Gruppen, bei geselligen Anlässen. Er kann gut mit Hunden umgehen und sucht wahrscheinlich häufig spezielle Hundeparks oder sonstige hundefreundliche Umgebungen auf. Das weibliche Opfer wurde vor der Ermordung vergewaltigt, und wir nehmen an, dass der Täter noch andere Frauen vergewaltigt hat. Für Hinweise haben wir eine Telefon-Hotline eingerichtet. Wir garantieren allen Anrufern Anonymität.» Rausers Augen glitten wieder durch den Raum. «Er ist entweder im Besitz einer Smith and Wesson, M and P , neun Millimeter, oder hat Zugang zu einer. Unseren Erkenntnissen nach hat er kürzlich einen blauen Honda Element, Baujahr 2010, gefahren. Wir glauben, dass er in Midtown und Umgebung arbeitet und möglicherweise auch dort wohnt.»
Wieder hagelte es Fragen. Rauser blieb vage. Fünf Minuten lang stand er den Reportern Rede und Antwort. Alle Befürchtungen, dass die Morde im Zusammenhang mit den Wunschknochen-Fällen vom letzten Jahr oder anderen bekannten, noch ungeklärten Serienmorden stehen könnten, zerstreute er entschieden.
«Lieutenant Rauser, ist das FBI eingeschaltet worden?», wollte eine Reporterin wissen. «Wer hat das Profil erstellt, aus dem Sie vorgelesen haben?»
Oha. Ich hielt die Luft an. Major Hicks trat ans Rednerpult. «Das FBI ist derzeit nicht an den Ermittlungen beteiligt. Wie Sie alle wissen, verlassen wir uns bei der Analyse des Beweismaterials auf die Kriminaltechnik. Es ist nicht unüblich, dass das Morddezernat und andere Dezernate für die Erstellung psychologischer Profile qualifizierte Analytiker heranziehen. Das ist auch in diesen Fällen geschehen, weil wir uns davon eine raschere Identifizierung des Täters versprechen.»
«Was ist mit DNA-Spuren?»
«Aufgrund von Etatkürzungen und der hohen Zahl von Fällen, in denen DNA-Material ausgewertet werden muss, kann es mehrere Tage oder gar Wochen dauern, bis Laborergebnisse vorliegen.» Hicks machte auf dem Absatz kehrt, und das Trio verließ den Presseraum. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, klingelte mein Telefon.
«Hier ist Monica Roberts, WXIA-TV. Sind Sie die Profilerin in diesen Fällen?»
«Ich hab das
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