Broken (German Edition)
voll davon, oder er hat seinen Hund damit behängt. Keine Ahnung. Ich finde bloß, du solltest diesen Aspekt des Profils nicht außer Acht lassen.»
«Wenn ich anfange, über Einzelheiten an den Tatorten zu reden, öffnet das Nachahmungstätern Tür und Tor.»
«Verstehe. Tu, was du für richtig hältst.»
«Ich muss Schluss machen. Sei vorsichtig da draußen, Schatz. Immer schön die Augen offen halten, okay?»
Ich wählte wieder Mikis Nummer. Die Mailbox ging direkt an. «Hey. Ich sehe gerade den Wetterbericht. Schätze, du steckst mittendrin im Orkan. Ist genau nach deinem Geschmack, was? Mensch, du bist echt verrückt. Ruf deine Cousine an. Ich mach mir Sorgen. Hab dich lieb.» Ich schob das Telefon weg und dachte über meine letzten Worte nach. Ich hatte sie wirklich lieb, meine komplizierte, mutige, selbstsüchtige, überdrehte, fotoverrückte Cousine. Da Selbstreflexion nicht gerade zu meinen großen Stärken zählt, war das schon eine ziemliche Offenbarung. Ich hatte sehr an ihr gehangen, als wir Kinder waren. Aber unsere Leben waren in verschiedene Richtungen verlaufen.
Ich schaltete auf einen Lokalsender um und las auf dem Ticker unten am Bildschirm die Ankündigung eines Sonderberichts. Dann wurde auch schon der Presseraum des Polizeipräsidiums von Atlanta eingeblendet, das Walnussholzpult, auf dessen Vorderseite das offizielle Emblem prangte. Ich drehte den Ton lauter und lehnte mich mit meinem Kaffee zurück. Ein Reporter berichtete mit der gedämpften Stimme eines Golfkommentators aus dem Off, dass die Polizei von Atlanta sich in einer dringenden Angelegenheit an die Öffentlichkeit wenden wolle. Er betonte, mit welcher Hast die Pressekonferenz angesetzt worden war, und spekulierte dann, was wohl dahintersteckte. Im Hintergrund weiteres Geflüster von anderen Journalisten vor anderen Kameras, hin und wieder ein Räuspern, ein Husten, das Rascheln von Papier oder das Klappern von Ausrüstung, ein Stuhlbein aus Metall, das über einen Fliesenboden schrammte.
Die Pressesprecherin der Atlantaer Polizei, Jeanne Bascom, trat ans Rednerpult, flankiert von Major Herman Hicks und Lieutenant Aaron Rauser. Alle drei trugen blaue Uniform, Goldpaspel, das gestickte APD-Emblem auf den Schultern, Goldknöpfe an Uniformjacke und Manschetten. Das Ganze übermittelte die wichtige Botschaft: Wir sind kompetente Profis und sorgen für Ihre Sicherheit . Es war das erste Mal, dass ich Rauser wieder in Uniform sah, seit wir vor ein paar Monaten zusammen auf der Beisetzung eines Officers waren. Er stand militärisch stramm.
Bascom setzte sich eine Lesebrille auf die kleine, gerade Nase, blickte sich im Raum um, sah dann auf das Blatt mit Notizen, das sie vor sich aufs Pult gelegt hatte. Sie strich es glatt. Ich hatte schon mehrmals gesehen, wie Jeanne Bascom sich den hungrigen Medienvertretern stellte: nach dem Bombenanschlag während der Olympischen Sommerspiele, nach Attentatsdrohungen für ein Super-Bowl-Finale, während der Suche nach Serienvergewaltigern und -mördern und einmal, nachdem der Polizeichef von Atlanta höchstselbst einen Aufschrei der Empörung ausgelöst hatte, weil er angeblich aufgrund eigener politischer Ambitionen eine Mordermittlung behindert hatte. Ich hatte sie schon mit einem so arg verkniffenen Gesicht erlebt, dass es aussah, als hätte sie an einer Zitrone gelutscht. Heute spiegelten ihr Auftreten und ihre Miene den Ernst der Nachricht wider, die sie zu verkünden hatte. Alle im Presseraum Versammelten wussten, dass es um etwas Wichtiges gehen musste, wenn Bascom sich in einer hastig anberaumten Konferenz an die Öffentlichkeit wandte. Ansonsten begnügte sie sich nämlich damit, regelmäßig Informationen an die Presse herauszugeben.
Die Brille wurde abgenommen, zusammengeklappt und aufs Pult gelegt. «In Zusammenarbeit mit dem kriminaltechnischen Labor konnte die Polizei von Atlanta durch umfassende Ermittlungsarbeit einen Zusammenhang zwischen der Ermordung einer Frau aus Clarkston und zwei männlichen Mordopfern in Midtown und Umgebung herstellen», gab sie bekannt. Ein aufgeregtes Raunen lief durch den Raum. «Major Herman Hicks und Lieutenant Aaron Rauser stehen jetzt für Ihre Fragen zur Verfügung.»
Hicks war gut eins siebenundsiebzig, Afroamerikaner und hatte die vernarbte Haut eines Mannes, der als Teenager an heftiger Akne gelitten hatte. Die Fragen waren geradezu ein Bombardement. Wie sind die Namen der Opfer? Wie ist die Beweislage? Wie viel Zeit liegt zwischen den Morden?
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