Broken (German Edition)
tut?» Dann sagte sie wieder in einem völlig anderen Tonfall zu mir: «Ein Freund aus Birmingham bringt mich zum Flughafen, wenn ich in zwei Tagen rauskomme. Holst du mich am Hartsfield-Jackson ab?»
«Klar», sagte ich und notierte mir ihre Flugdaten. «Miki, was ist mit der Frau?»
«Welcher Frau?»
«Der verletzten Frau in dem Haus.»
«Ach so, die, ja klar. Der geht’s gut. Sie hatte eine Badewanne über sich. Man hat sie rausgeholt. Ich glaube, sie liegt ein paar Zimmer weiter. Keye, ich hab gehört, dass ein paar hundert Leute ums Leben gekommen sein sollen. Ich hab bei meinen Reportagen ja schon so einigen verdammten Mist erlebt, aber das hier ist mindestens genauso schlimm.»
Ich hörte die Anspannung in ihrer Stimme. Ich brachte es nicht über mich, ihr von dem unheimlichen Anruf zu erzählen oder von den Drohungen gegen sie oder die Schüsse auf mich oder dass Neil angeschossen worden war. Noch nicht. «Miki, sagt dir der Name Jesse Owen Richards was?»
«Nein. Wieso?»
«Erzähl ich dir, wenn ich dich abhole.»
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33
W ir standen vor einem hellen Backsteinhaus, des sen Obergeschoss mit Brettern verkleidet war. Rauser klopfte an die Tür, ein Cop-Klopfen, zu fest, zu offiziell. Ich wusste, dass er bereits Detectives auf der Straße postiert hatte. Ich hatte den Wagen zwei Häuser weiter bemerkt, ein Crown Vic mit Fahrer und Beifahrer. Er hatte angeordnet, dass auch die Rückseite überwacht werden sollte, aber das Haus grenzte an einen Golfplatz. Ich fragte mich, wie sie das wohl gedeichselt hatten.
Die Frau, die an die Tür kam, trug eine dunkelrosa Hose, Turnschuhe und ein Polohemd. Ihr Haar war silbergrau und dicht, und sie hatte es sich hinter die Ohren gesteckt. Wir wussten, dass sie zweiundsiebzig war und ihr Mann drei Jahre älter. Aber sie sah nicht danach aus. Nicht mal annähernd.
«Mrs. Etheridge, ich bin Lieutenant Aaron Rauser vom APD, und das ist Keye Street. Dürfen wir reinkommen?»
Wachsame grüne Augen huschten von Rauser zu mir. «Natürlich, Lieutenant, Ms. Street. Bitte kommen Sie herein. Kann ich Ihnen ein Glas Eistee anbieten?»
«Nein, Ma’am. Danke.»
Sie führte uns durch ein aufgeräumtes Haus in die Küche, wo ein weißhaariger Mann am Tisch saß und ein Modellflugzeug zusammenleimte, das schon etwas betagter aussah. Er blickte nicht auf, als wir eintraten. Jenseits des Fensters hinter ihm erstreckte sich der Golfplatz Candler Park. Sie berührte ihn an der Schulter. «Fred, diese Leute sind von der Polizei. Sie wollen mit uns sprechen», sagte sie laut Ich sah das Hörgerät in seinem Ohr, als er den Kopf hob.
«Bitte, nehmen Sie Platz», sagte er zu uns. «Hat meine Frau Ihnen was angeboten?»
«Ja, Sir, danke», antwortete Rauser. Melinda Etheridge setzte sich zu uns.
«Sind Sie wegen Owen hier?», fragte Fred Etheridge. «Kann keine gute Nachricht sein, sonst hätte ein Anruf genügt.»
«Wird er nicht Jesse genannt?», fragte Rauser.
«Seine Mutter hat Jesse zu ihm gesagt», klärte Mrs. Etheridge uns auf. «Sie wurde ermordet, als Owen acht war, und wir haben das Sorgerecht bekommen. Von da an wollte er sich nicht mehr Jesse nennen lassen.»
«Wir würden gern mit Ihrem Enkel sprechen. Ist er da?», fragte Rauser. Ich dachte wieder an die Observierung auf der Straße und an das weite, offene Gelände des Golfplatzes. Ich stellte mir vor, dass gleich eine Tür aufgerissen wurde und Richards davonlief. Es passierte nicht.
«Aber nein.» Mrs. Etheridge blickte uns geschockt an.
«Wo können wir ihn finden?»
Mr. Etheridge runzelte die Stirn. «Ich dachte, Sie wären gekommen, um uns zu sagen, wo er ist.»
«Nein, Sir. Wir versuchen, Ihren Enkel ausfindig zu machen. Es ist sehr wichtig.»
«Wir wissen nicht einmal, ob Owen noch lebt», sagte Mrs. Etheridge. «Er ist vor ungefähr drei Jahren verschwunden. Wir haben ihn damals als vermisst gemeldet.» Verärgerung schlich sich in ihre Stimme.
«Ja, Ma’am. Ich weiß von der Vermisstenmeldung», sagte Rauser. «Wir glauben, dass Ihr Enkel quicklebendig ist und sich im Raum Atlanta aufhält.»
Melinda Etheridge griff nach der Hand ihres Mannes auf dem Tisch und drückte sie. «Bevor er verschwand, war Owen wieder zu uns gezogen. Er konnte einfach keinen Job behalten», sagte sie. «Und er war manchmal sehr schwierig im Umgang. Das fing schon auf der Highschool an. Er war extrem launisch, und seine Niedergeschlagenheit konnte plötzlich zu Aggression werden, wenn irgendwas
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