Broken (German Edition)
Türrahmen der Diele wie an einem Galgen.
Ich schob die beiden zurück auf die Veranda und zog die Tür zu. «Steigt in den Wagen, verriegelt die Türen und ruft die Polizei an.» Ich sprach ruhig, obwohl sich meine Gedanken überschlugen. Ich versuchte, Blickkontakt zu Miki herzustellen. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment aus den Latschen kippen.
«Mutter, bring Miki zum Wagen. Brauchst du mein Handy?» Sie rührte sich nicht. Beide wirkten, als wären sie an der Veranda festgenagelt. « Mutter , ich brauche deine Hilfe. Hast du dein Handy dabei?» Sie nickte. «Ruf Rauser an. Bring Miki zum Wagen. Los. »
Ich hatte meine Glock schon gezogen und drückte jetzt vorsichtig die Haustür mit der Schulter auf, ließ den Blick durch den Raum schweifen. Leer. Ich trat ein und näherte mich dem toten Mann, der im Türrahmen hing. Er war alt und schmächtig. Ich sah eine Schnur, die quer unter dem Kinn verlief, hinter dem Kopf nach oben führte und anscheinend auf der anderen Seite über dem Rahmen an der Wand befestigt war. Ihre Funktion war klar: Sie hielt den Kopf hoch, sodass der Tote zur Haustür blickte. Die Leichenstarre behält jede Position bei, die man ihr anbietet. Der Tod hatte das Gesicht zu einer Art Halloweenmaske verzerrt.
Das Seil, an dem der alte Mann am Türrahmen hing, war mehrmals um den Brustkorb gewickelt. Ich bemerkte Blut aus einer Wunde über der linken Niere. Die ziegelroten Flecken sahen auf seinem hellgrünen Hemd aus wie Farbkleckse.
Ich hätte mir das gern genauer angesehen, aber dazu war keine Zeit. Ich musste Mikis Haus sichern. Ich dachte an sie und meine Mutter draußen, beide zu Tode erschrocken.
Hinter der Leiche im Türrahmen ging ein langer Flur ab, an dessen Wänden in regelmäßigen Abständen Vergrößerungen von Mikis bekanntesten Fotos hingen – ein afghanisches Mädchen mit einem Neugeborenen auf dem Arm, Time . Ein einsamer steinewerfender iranischer Demonstrant, der sich weigerte, vor der heranstürmenden Sicherheitspolizei wegzulaufen, Newsweek . Ein ausbrechender Vulkan, National Geographic .
Ich sog Luft ein und atmete leise einen Teil der Anspannung aus, die meinen Herzschlag beschleunigte. Adrenalin. Es spielt keine Rolle, wie viele Tote du gesehen hast oder wie sicher du dich mit einer Waffe in der Hand fühlst oder wie oft du dich schon einer Gefahrensituation gestellt hast – du kriegst trotzdem jedes Mal das ganz große Flattern.
Der Lichtschalter war links von mir. Ich betätigte ihn mit dem Ellbogen und drehte mich in den Flur hinein, erst nach links, dann nach rechts. Zwei schmale, s-förmige Schienenleuchten erhellten den Raum. Die Eichendielen knarrten, als ich mich an Mikis Fotos vorbeibewegte und jedes der vier Zimmer und die Wandschränke am Ende des Flurs überprüfte, schließlich das Badezimmer, wo mir der Puls in den Ohren hämmerte, als ich den Duschvorhang beiseiteriss.
Sirenen gellten in den stillen Abend. Gleich würde Inman Park grob vom Abendessen weggerissen werden. Augenblicke später hörte ich die Haustür aufgehen, Stimmen. Aus Angst vor nervösen Cops, die mich nicht kannten, schob ich die Glock in das Holster hinten an meiner Jeans und hob die Hände. «Keye Street. Ich komme jetzt raus.»
«Alles klar, Street.» Rausers Stimme. Eigentlich hörte ich sie immer gern, aber jetzt ganz besonders. Ich bog um die Ecke und sah ihn. Detectives und uniformierte Polizisten verteilten sich im Haus. Über Rausers Schultern hinweg sah ich Cops durch den Garten laufen.
«Alle Zimmer, die vom unteren Flur abgehen, sind sauber.» Ich deutete in den hinteren Teil des Hauses. «Aber dieser Bereich da, die obere Etage und der Keller müssen noch überprüft werden.»
«Wo ist die Treppe?», fragte Rauser. Ich zeigte in die Richtung. «Balaki, schnappen Sie sich zwei Leute und sichern Sie die Räume oben. Ihr anderen geht nach hinten. Ich kümmere mich um den Keller. Wo ist Williams?»
«Der hat mit Thomas die Schießerei am Turner Field übernommen, Lieutenant», antwortete Balaki.
Rauser betrachtete den Toten im Türrahmen. Keine Emotion. «Wo ist der Video-Typ? Ach ja, und sehen Sie zu, dass das Opfer identifiziert wird. Warten Sie nicht erst auf die Spurensicherung.» Das hatte er Detective Angotti zugebrüllt, der erst vor einem Monat zum Morddezernat gekommen war, jung, wulstige Lippen, kompakte Statur und dunkles, welliges Haar.
«Ich muss nach Miki und Mom sehen», sagte ich. «Die drehen durch.»
Rausers Blick wanderte zurück zu
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