Broken (German Edition)
machen. Es war so ein Moment, wo dir klarwird, dass der Mann noch so gut sein kann, noch so treu, noch so verrückt nach dir, er hat ein Innenleben voller sexueller Phantasien über Frauen, mit denen du in körperlicher Hinsicht niemals mithalten kannst, und er wird nie im Leben verstehen, warum dir das etwas ausmacht.
Ich holte meinen Notizblock hervor, schrieb Spuren/Verhaltensmuster , ließ dann eine Zeile frei und schrieb in die nächste: Methode, Tätersignatur, Örtlichkeit, Tageszeit, Opfer . Ich dachte an Rausers Einwand, was denn die Opfer miteinander verbinden könnte, bei dem Altersunterschied von siebenundsiebzig Jahren. Bevins und Angotti waren mit der Viktimologie betraut, bei der man die Lebensweise eines Opfers erkundet, seine sexuellen Gewohnheiten, Berufsleben, familiäres Umfeld, sein Verhalten im Umgang mit Freunden, in der Familie, auf der Arbeit, um dann die Widersprüche zusammenzusetzen, die einen Menschen ausmachen. Aber was konnte einen behüteten Dreizehnjährigen und einen alten Mann, der in einem Seniorenheim lebte, verbinden?
Ich fing an, die leeren Stellen auszufüllen – rituelle Inszenierung der Leiche, Überwachung, Schuhabdruck, Blut in dem Honda, Patronenhülse, Wandhaken, Hundeleckerli, unbekannte Flüssigkeit. Ich blickte auf den Notizblock, schrieb dann Luftballon. Geschenkpapier. Eine Visitenkarte?
So ordne ich meine Gedanken – Listen machen, denken, Fragen stellen. Die richtigen Fragen stellen, darauf kam es an. Donald Kelly, Troy Delgado und Miki Ashton. Gab es eine Verbindung zwischen ihnen? Ich war mit jeder Sekunde, die verging, mehr davon überzeugt. Aber wodurch waren sie verbunden? Irgendetwas an ihnen hatte die Aufmerksamkeit des Täters erregt. Drei Opfer, eines noch am Leben. Was war es? Ein Ort, den sie alle aufgesucht hatten? Ein Restaurant? Ein Supermarkt? Etwas, wozu sie alle eine Verbindung hatten vielleicht. Konnte es mit den Eltern von Troy Delgado zu tun haben und gar nicht mit dem Jungen selbst? Eine politische Gruppe? Ein Klub? Der Mann hinter Mikis Wohnzimmerfenster hatte die Gelegenheit gehabt – vielleicht viele Gelegenheiten –, sie zu töten. Aber sie lebte. Noch so ein großes Fragezeichen.
Ich blickte wieder zum Fox Theatre hinüber. Die Limousine war verschwunden. Ich kriege häufig das Kommen und Gehen der Künstler auf der anderen Straßenseite mit. Vans und Limousinen entladen ihre Promis Stunden vor dem großen Auftritt, und ich sehe, wie sie wichtigtuerisch hineingehen. Sattelschlepper entladen die Ausrüstung in der Ladezone, und dann sind die Cafés und Coffeeshops und Hotels in der Umgebung von Bühnentechnikern und Groupies überschwemmt, die darauf brennen, Geschichten über ihre Superstars zu erzählen.
Von diesen Fenstern aus habe ich schon oft beobachtet, wie Bettler frühmorgens von Cops aufgegriffen werden, wenn Atlanta sich für ein Super-Bowl-Spiel oder die Olympischen Spiele oder irgendeinen großen Kongress aufhübschen muss. Weiß der Teufel, wo sie diese Leute hinkarren. Ich kenne keinen einzigen Cop, der zugibt, dass das an der Tagesordnung ist – nicht mal derjenige, der mehrere Nächte in der Woche mit mir das Bett teilt, obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe. So sind Cops nun mal. Die Loyalität gegenüber ihren Kollegen ist stärker als andere Bindungen.
Mein Telefon klingelte. Neils Name erschien im Display. «Wann kommst du wieder her?»
«Ich fahre in spätestens einer Stunde los. Ich hab den ganzen Tag mit Rauser Tatorte inspiziert.»
«Na toll», sagte Neil. «Das haut ja mal wieder prima hin.»
Neil und ich hatten uns letztes Jahr bereit erklärt, einen Beraterjob für die Polizei von Atlanta zu übernehmen, und das hatte unsere Welt komplett aus den Angeln gehoben. «Hier passieren ziemlich merkwürdige Sachen», sagte ich.
«Tja, hier passieren auch ziemlich merkwürdige Sachen. Mit dieser Asche stimmt was nicht.»
«Bitte sag mir, dass du die Probe nicht versaut hast.»
«Also, das war so», setzte Neil zu einer Erklärung an. Ich wappnete mich innerlich. Wenn Neil so anfängt, nimmt das fast immer ein böses Ende. «Ich war heute in Big Knob. Mann, das Kaff ist der Wahnsinn.»
«Aha.» Ich sah nach White Trashs Futter- und Wassernäpfen, drehte dann die Klimaanlage etwas runter. White Trash mag es warm. «Wie viel Marihuana war im Spiel?»
«Okay, ich hab mir nach dem Frühstück einen ordentlichen Joint reingezogen, aber hey, hier ist tote Hose.»
«Dann haben wir die Probe aus
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