Broken (German Edition)

diesen Fremden, der Miki fertigmachen wollte, auf eine Weise, die ich noch nicht durchschaute, diesen Mörder, der sich vielleicht unter die Gäste meiner Eltern gemischt hatte.
    Neil legte den Kopf gegen die Rückenlehne und schloss die Augen. Er roch nach Bier und Zigaretten. «Hör mal, im Moment können wir nichts weiter machen», sagte er. «Rauser müsste inzwischen da sein. Die Decatur-Cops waren wahrscheinlich schon nach fünf Minuten da. Und ich würde auch gern heil ankommen.»
    Ich warf einen Blick auf den Tacho. «’tschuldigung.»
    Ich hörte Rausers Klingelton. «Alle in Sicherheit», meldete er. «Wir haben Mikis Handy auf einem der Tische draußen gefunden, es eingetütet, alles abgeriegelt.»
    Ich sog Luft ein. «Er wollte uns wissen lassen, dass er da war. Verdammt, er war so nah bei Mutter, dass ich ihre Stimme hören konnte.»
    «Hoffen wir, dass sie sich an irgendein Gesicht erinnert, das sie nicht kannte. Hör mal, wir haben Miki weggebracht, und zwar vor aller Augen. Wenn er noch in der Nähe war, weiß er, dass sie nicht mehr im Haus deiner Eltern ist. Bevins und Angotti sind eine Weile rumgefahren, aber es ist ihnen niemand gefolgt. Sie ist jetzt erst mal bei mir zu Hause. Wo immer wir sie danach unterbringen, sie wird rund um die Uhr bewacht.»
    «Danke. Wo sind meine Eltern?»
    «Emily und Howard sind im Haus mit ein paar Freunden. Balakis vernimmt sie. Irgendwem muss der Typ doch aufgefallen sein. Es sei denn, er gehört dazu, ist zusammen mit euch in der Nachbarschaft aufgewachsen. Vielleicht stand er auf Miki.»
    Das war gar nicht so abwegig. Ich versprach ihm, dass ich darüber nachdenken würde.
    «Street», sagte Rauser, und seine Stimme wurde schärfer, «er weiß, wer du bist. Er hat deine Nummer gezielt gewählt. Mensch, hier wimmelt es nur so von Leuten. Wir haben sie in vier Gruppen à zwanzig aufgeteilt. Williams, Thomas und einer von den örtlichen Detectives vernehmen die Leute draußen. Das wird ein Weilchen dauern. Außerdem suchen Streifenpolizisten die Straßen ab. Übrigens, wir haben die Caterer überprüft. Alle, die Kellys Party beliefert haben, sind zusammen gekommen und gegangen. Von denen ist jeder sauber.»
    «Mist.» Ich seufzte. «Im Moment spielt er bloß mit Miki. Er hatte erneut Gelegenheit, ihr was anzutun, hat es aber nicht getan.»
    «Vielleicht will er, dass es genau richtig abläuft», spekulierte Rauser.
    «Vielleicht. Wir müssen es begreifen, Rauser, bevor Miki was passiert.»
    «Wir werden nicht zulassen, dass ihr was passiert.»
    «Kannst du mir Zugang zum Beweismaterial verschaffen? Zu allem, was ihr habt, meine ich. Tatortanalysen, Opferanalysen, sämtliche Ermittlungsergebnisse, die deine Leute bisher zusammengetragen haben, Vernehmungen, alles, was die KTU über die Fälle Delgado und Kelly rausgefunden hat.»
    «Das könnte ich, wenn du, sagen wir, eine psychologische Beraterin wärst.»
    «Ich will dabei sein.»
    «Ich dachte schon, Sie würden nie fragen, Dr. Street.»

    Zwei Stunden später parkte Rauser in Virginia Highlands, dem Viertel von Atlanta, in dem er wohnte. Ich hielt hinter ihm. In seiner Einfahrt stand ein Crown Victoria, ein deutlich älteres Modell als das, das Rauser fuhr. Und deutlich sauberer. Der Lack glänzte im Licht der Außenbeleuchtung. Rauser zückte sein Handy und rief an, um unser Kommen anzukündigen, während wir auf sein Haus zugingen, das sich stets in irgendeinem Renovierungszustand befand. Er hatte Wände rausgerissen und Fenster eingesetzt und vor das Schlafzimmer eine Veranda gebaut, die zur Hälfte mit Fliegendraht umschlossen war. Er plante, den Dachboden in eine offene Galerie mit Blick ins Wohnzimmer umzubauen, wenn er irgendwann die Zeit dazu hatte. Rauser hatte mir mal erzählt, dass er Schreiner gelernt hätte, wenn er nicht zur Polizei gegangen wäre. Er arbeitete gern mit den Händen. Mir gefiel das. Ihm dabei zuzuschauen, wie er im ärmellosen Hemd mit einem Werkzeuggürtel um die Taille auf Nägel einhämmerte, war echt nicht schlecht.
    Detective Angotti öffnete uns die Tür. Sein Hemd warf Falten unter einem doppelten Schulterholster, in dem er seine S&W Kaliber .40 eng am Brustkorb trug – rechte Seite, Angotti war Linkshänder. Der Druckverschluss war offen.
    Ich sah Spielkarten auf Rausers Couchtisch. Der Fernseher lief, aber der Ton war leise gestellt. Angotti hatte für Zeitvertreib gesorgt – Karten, Fernsehen –, aber darauf geachtet, dass er noch Geräusche von draußen hören