Broken Lands
uns nachher in der Hotel-Lobby, Tom. Ich vermute, Mr. Mapp wird dort auf Sie warten.»
Jin konnte ihre Freude kaum verhehlen, als Liao sie in einem der kleinen Hotelboote wieder ans Ufer ruderte. Sie strahlte immer noch vor Glück, als sie aus dem Boot sprang und half, es auf den Strand zu ziehen. Unentwegt plapperte sie auf ihren belustigten, aber sichtlich stolzen Onkel ein, während sie Kisten und Körbe aus dem Boot lud und auf dem Strand aufstapelte.
«Jin!»
Sie schaute auf und sah Sam winken. Onkel Liao räusperte sich. «Da drüben ist Mr. Burns», sagte er und nickte zu dem Anlegesteg hinüber, wo der Eigentümer der Fata Morgana Feuerwerk-Kompanie die Glückwünsche des Hotelmanagers entgegennahm. «Ich gehe mal zu ihm.»
Jin nickte und wandte sich wieder dem Jungen zu, der im Laufschritt auf sie zukam. Normalerweise hätte sie ihre Gesichtszüge unter Kontrolle gehalten, sodass er ihnen nichts hätte ablesen können, aber der Triumph des auferstandenen Atlantis war noch zu frisch. «Sam!», rief sie freudestrahlend. «Hast du’s gesehen?»
«Ich … Es war …» Sam zögerte. Jin musste ein Lachen unterdrücken – seine sich überschlagenden Gedanken standen ihm auf der Stirn geschrieben. «Es war … brillant.»
Jin blinzelte und kicherte. «Es war ja auch ein Brillant-Feuerwerk.»
Sam verfärbte sich herrlich rosa, gerade dunkel genug, dass es in dem schwachen Licht, das vom Fähranleger ans Ufer drang, zu sehen war. «Ich wollte keine großen Worte machen», sagte er. «Ich meine es ernst. Wo hast du so was gelernt?»
«Von Onkel Liao.» Immer noch von einem Ohr zum anderen grinsend, legte Jin ein Stück Zündschnur in eine Kiste. «Er hat Mr. Burns in Chicago kennengelernt. Mr. Burns hatte gerade die Fata Morgana-Kompanie geerbt und kannte sich mit Feuerwerk überhaupt nicht aus, aber der Verwandte, der ihm die Firma hinterlassen hatte, hatte ihm auch ein Buch voller Rezepte vermacht, mit dem er allerdings nichts anfangen konnte, weil er kein Pyrotechniker war. Deshalb hat er Onkel Liao eingestellt.»
«Und so bist auch du in die Kompanie gekommen, nicht wahr?»
Jins Lächeln verblasste. Sie merkte selbst, wie ihr die Freude aus dem Gesicht wich. «Nein, ich kam erst später.»
Sam schien zu spüren, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Er nahm Jins Tasche aus dem Boot, als sie danach greifen wollte, und warf sie sich über die Schulter. «Die nehme ich. Und das auch», fügte er hinzu, als sie achselzuckend eine Kiste hochhieven wollte. «Sag mir nur, wo die Sachen hinkommen.»
Jin betrachtete ihn abschätzend. Dann zuckte sie wieder mit den Schultern. «Der Wagen steht neben den Ställen. Ich will nur schnell Onkel Liao Bescheid sagen, wo ich hingehe.» Sie drehte sich zum Anleger um. «Onkel Liao!», rief sie. « Wo jiang dao che .» Dann stapfte sie an Sam vorbei den Strand entlang.
Die meiste Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her. Allerdings verlangsamte Jin schon nach kurzer Zeit ihre Schritte. Ihn traf keine Schuld an dem, was er gesagt hatte, das sah sie ein. Er wusste ja nicht, wie sehr es ihr widerstrebte, daran erinnert zu werden, wie sie zu einem Teil der Fata Morgana-Kompanie geworden war.
Unter ihren Füßen ging der Sand in Holzbohlen über, das Holz in Gras und das Gras in Kies. Jemand musste etwas sagen. «Mir ist immer noch nicht klar», sagte Jin endlich und zwang sich, ihre Gedanken offen und ehrlich auszusprechen, «warum du hier bist. Das lässt mir keine Ruhe.»
«Hier?» Sam schaute sie von der Seite an. Jins Augen waren gesenkt. «Meinst du hier in Coney Island oder hier im Broken Land ?» Er grinste. «Ich mag Feuerwerk. Und … Moment mal, da war doch was … ja, richtig, du hast mich eingeladen , weißt du nicht mehr?»
«Das war doch nur, damit du nicht mehr so ein Theater wegen mir und … dieser Sache machst», sagte sie wegwerfend. Sie waren am Wagen angekommen, neben dem die drei Zelte standen, deren Seitenwände leicht flatterten. Jin blieb stehen und drehte sich mit verschränkten Armen zu ihm um. «Ich meine hier , Sam. Hier und jetzt. Dass du Kisten für mich trägst. Warum tust du das?»
Sam stellte die Kiste ab und steckte die Hände in die Taschen. «Wenn es das Kistentragen ist, was dich stört …»
«Das ist es nicht.»
«Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich deine Frage beantworten soll. Bist du wegen irgendetwas böse?»
«Wegen was denn?», fuhr sie ihn an. Sie war wirklich böse, aber nur auf sich selbst, weil sie dieses
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