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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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war gefangen. Nur mit größter Mühe zwang er sie einen Spalt breit auf und sah, dass eine meterhohe Schneewehe von der anderen Seite dagegendrückte.
    Die Frau war fort. Erst viele Stunden später, nachdem sie ihn in der Stille seiner eingeschneiten Hütte allein gelassen hatte, entdeckte er ihre Halskette mit dem Geigenharz. Sie hing an einem Nagel neben dem Kamin und war der einzige Beweis dafür, dass sie tatsächlich da gewesen war.»
    Es war eine gute Geschichte und Ambrose war ein guter Erzähler, aber all das klang so gar nicht nach der Welt, die Sam kannte. Es stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn der Journalist blickte ihn scharf an und sagte: «Du siehst so aus, als wolltest du uns sagen, dass wir nicht hier zusammengekommen sind, um uns Gespenstergeschichten anzuhören.»
    «Ich … na ja … ja», sagte Sam entschuldigend. «Was Jin gesehen hat, das war echt. Dies ist nur eine Geschichte. Woher wollen Sie wissen, dass irgendetwas davon wahr ist?»
    «Ich behaupte nicht, irgendetwas zu wissen», erwiderte Ambrose. «Ich kenne lediglich die Geschichte, mehr nicht. Was du daraus machst, liegt allein bei dir. Aber es wird noch seltsamer, bis wir zum Ende kommen.»
    «Ich möchte gerne den Rest noch hören», sagte Jin leise, «wenn die anderen nichts dagegen haben.»
    Ambrose ließ den Whiskey in seinem Glas kreisen. «Nun, der Schnee schmolz, und irgendwann war die Zeit gekommen, da Jack eigentlich diese notdürftig zusammengezimmerte Hütte in den Bergen hätte verlassen sollen. Aber er ging nicht fort. Stattdessen wanderte er die Wälder ab auf der Suche nach der geheimnisvollen Frau, aber er fand keine Spur von ihr. Die Wochen vergingen. Aus den Wochen wurden Monate.
    Dann, im Juni, wuchs eine Rosenranke an einer Ecke des Hauses und fing an zu blühen. Für Jack waren diese Blüten ein Zeichen. Er schöpfte wieder Hoffnung, dass sie zurückkommen könnte. Dabei wusste er, dass er verloren war. Er würde nie wieder von hier weggehen.»
    Ambrose schaute Sam an. «Das ist eine Weisheit, die ihr Städter nie erfahrt: Männer sind wie Bäume.»
    «Bäume?»
    Ambrose nickte. «In einer Stadt, inmitten eines Waldes von seinesgleichen, wird ein Mann gerade wachsen, je nach Typ, Temperament und seinen ganz persönlichen Eigenheiten. Aber allein in der Prärie, allein in der Wüste, allein in der Wildnis, wo er das Einzige ist, was über den Horizont ragt, das Einzige, was dem Druck des Windes ausgesetzt ist – allein , Sam, mit den tosenden Stürmen, den hungrigen Felsen, der sauren Erde –, allein mag ein Mann krumm werden und schief wachsen, dank der Umstände. Und Jack war sehr lange Zeit allein.»
    Jin und Tom nickten, als ob ihnen die Sache völlig klar wäre. Sam versuchte, sich diese Art des Alleinseins vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Wann immer er allein gewesen war, hatte es immer eine Wand gegeben, hinter der sich ein anderer Mensch befunden hatte.
    «In der weiten Welt», fuhr Ambrose fort, «ist es nur natürlich, sich die Wege zu suchen, die bereits andere Menschen vor einem gegangen sind, wenn man das Glück hat, sie zu finden. Und irgendwie gelang es einigen von diesen merkwürdigen Wanderern, die ich eingangs erwähnte, den Weg zu Jacks Hütte zu finden.»
    «Mr. Ambrose, ich bitte um Entschuldigung», unterbrach Sam ihn erneut. «Ich weiß nicht, was Sie mit den ‹merkwürdigen Wanderern› meinen …»
    Ambrose machte den Mund auf und klappte ihn wieder zu. Dann wandte er sich an Tom Guyot und Walter Mapp: «Möchtet ihr diese Frage beantworten, meine Herren?»
    Tom und Mapp wechselten einen Blick. «Sam», sagte Mapp und schob seinen alten Hut in den Nacken, «du und ich, wir kennen uns schon eine Weile. Sei ehrlich, Junge: Du hältst mich für ein wenig seltsam, richtig?»
    Sam nickte. Dann erst fielen ihm seine guten Manieren wieder ein. «Ich meine …»
    «Sicher, sicher, jeder hier in Coney Island ist ein bisschen seltsam.» Mapp wedelte unbestimmt mit der Hand. «Zur Hölle mit der Höflichkeit. Der Punkt ist, dass ich einer dieser merkwürdigen Wanderer bin – oder besser gesagt, ich war es früher in meinem Leben, obwohl, wie ich sagte: Es ist schon lange her. Für Tom gilt das Gleiche, und glaub mir: Wir beide sind vermutlich noch die Normalsten unter ihnen. Nimm den verrücktesten Freak in West Brighton, multipliziere ihn mit jeder beliebigen Zahl und verteile das, was du als Ergebnis herausbekommst, übers Land. Dann weißt du, wovon ich rede.»
    Sam dachte an

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