Bronzeschatten
Crispus voran? Hast du mit ihm gesprochen?«
Ich gestand, daß ich ihn noch nicht einmal gefunden hätte. Da sprang die vornehme junge Dame mit einem Satz vom Brunnenrand hoch und entschied, es sei wohl am besten, wenn sie die Sache in die Hand nähme. Bevor ich erwähnen konnte, wie verhaßt es mir sei, bevormundet zu werden, hatte sie mich schon aus dem Garten geschleift und sich an mich gehängt, ob es mir nun paßte oder nicht.
LI
Ich hätte das nie zulassen dürfen. Ihr Vater wäre strikt dagegen, daß sein Herzblatt sich auf so was einließe, und in meinem Beruf arbeitet man sowieso am besten allein.
Andererseits fand Helena Justina immer einen plausiblen Grund, um sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen, und während wir jetzt die weitläufigen Empfangsräume durchkämmten, sparte es natürlich eine Menge Zeit, jemanden dabei zu haben, der den Gesuchten identifizieren konnte. Oder, wie in unserem Fall, auch nicht; Crispus war nämlich nirgends zu finden.
»Ist er ein Freund deiner Familie?«
»Nein. Mein Vater kennt ihn kaum. Aber Pertinax. Als wir verheiratet waren, kam er öfter zum Essen …« Wahrscheinlich gab’s Steinbutt in Kümmelsauce.
Im Garten hakte sie sich bei mir ein. Helena hatte eine Aversion gegen große Gesellschaften. Je mehr Leute sich um sie drängten, desto in sich gekehrter wurde sie. Darum klammerte sie sich jetzt an mich; ich war zwar nach wie vor eine Nervensäge, aber immerhin doch ein vertrautes Gesicht.
»Hmm!« machte ich versonnen, als wir am anderen Ende des Gartens zwischen den zart duftenden Rosenbosketten haltmachten und zurückschauten auf die gewaltigen kannelierten Säulen des Festsaals. »So eine Suchaktion könnte Spaß machen, wenn wir Zeit hätten, sie zu genießen …« Unternehmungslustig schob ich meinen Kranz in den Nacken, doch Helena erwiderte ernsthaft:
»Wir haben aber keine Zeit!«
Sie zerrte mich zurück ins Haus, und wir begannen, die kleineren Räume abzusuchen. Auf dem Weg durchs Atrium trafen wir auf einen der Senatoren, die im Triklinium gespeist hatten. Er war mit seiner Frau schon im Aufbruch, nickte Helena zu Abschied zu und streifte mich mit einem finsteren Seitenblick, als sei ich genau die Art fieser plebejischer Lebemann, die er auf einer solchen Festivität mit einer Senatorentochter im Schlepptau erwartet hätte.
»Das ist Fabius Nepos«, flüsterte Helena, die sich nicht bemüßigt fühlte, ihren Arm aus dem meinen zu ziehen, bloß um den Blutdruck eines alten Moralapostels zu schonen. »Sehr einflußreicher Mann im Senat. Arg verknöchert und hält auf Tradition; nicht für Spekulationen zu haben …«
»Sieht ganz so aus, als hätte zumindest einer der erhofften Kollaborateure sich nicht einseifen lassen!«
Als wir noch einmal einen Blick ins Triklinium warfen, sahen wir Aemilia Fausta allein dort sitzen und verdrossen an ihrer Kithara zupfen. Herzlos kichernd verdrückten wir uns. Als nächstes entdeckten wir einen langgestreckten Korridor mit Wartebänken für Audienzbesucher. Hier stand Faustas Bruder mit einer Gruppe ähnlich schmuck ausstaffierter Aristokraten herum, die an ihren Weinbechern nippten und zusahen, wie ein paar junge Kellner auf dem Boden kniend würfelten. Rufus schien überrascht, uns zusammen zu sehen, doch da er keine Anstalten machte, Helena zurückzufordern, winkte ich nur kurz, und wir zogen weiter.
Helena schien nicht in der Stimmung, brav zu ihrem Kavalier zurückzukehren. Sie war jetzt Feuer und Flamme für unsere Mission. Eifrig lief sie vor mir her, stieß Türen auf und überflog rasch die Gesichter der Anwesenden. Die ordinären Späße der Zecher und die überraschenden Paarungen, die sich im Laufe des Abends ergeben hatten, schien sie kaum wahrzunehmen. Zu einer Festivität dieser Art würde man seine Großtante Phoebe kaum mitbringen wollen.
»Ich denke, eine Tante könnte es verkraften«, widersprach Helena. (So, wie ich meine liebe Tante Phoebe kannte, hatte sie wahrscheinlich recht.) »Wenn bloß deine Mutter nie dahinterkommt, daß du hier gewesen bist!«
»Und wenn, dann sage ich, du hättest mich mitgeschleift …« Plötzlich mußte ich lächeln. Ich hatte eine sehr willkommene Veränderung an ihr bemerkt. »Du hast dir ja die Haare gewaschen!«
»Mehr als einmal«, gestand Helena. Dann wurde sie rot.
In einer Kolonnade spielten die Musiker, die mit den spanischen Tänzerinnen gekommen waren, jetzt zu ihrem eigenen Vergnügen – ungefähr sechsmal so gut wie zuvor
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