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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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– ganz zu schweigen von etlichen anderen Prätendenten, die ihren Hintern nicht mal auf die Thronkante hieven konnten –, uns anderen (oder speziell mir, wenn Sie so wollen!) nur das bißchen Glück voraus, im entscheidenden Moment über eine bewaffnete Streitmacht zu verfügen. Otho konnte die Prätorianer für sich gewinnen, und die anderen waren alle in Provinzen stationiert, wo die Legionen zwangsläufig den eigenen Oberbefehlshaber in den Himmel heben. Wenn ich also im Vierkaiserjahr in Palästina gewesen wäre …«
    Er stockte, lächelte und ließ wohlweislich jede hochverräterische Äußerung unausgesprochen.
    »Habe ich nicht recht, Falco?«
    »Doch, Senator – bis zu einem gewissen Punkt.«
    »Und der wäre?« erkundigte er sich, immer noch betont freundlich.
    »Ihr politisches Urteil – das mir doch recht scharfsinnig scheint – sollte auch Sie zu der Einsicht führen, der wir uns alle beugen müssen: Eine turbulente Ära hat ihren natürlichen Abschluß gefunden. Rom, Italien, ja das ganze Imperium sind ausgelaugt vom Bürgerkrieg. Laut allgemeinem Volksentscheid ist Vespasian der Kandidat, der siegreich aus dem Machtkampf hervorging. Die Frage, ob jemand anderer ihn theoretisch hätte in die Schranken weisen können, ist also nicht relevant. Bei allem gebotenen Respekt, Senator!«
     
    Hier stand Aufidius Crispus auf, trat zu einem Postament und schenkte sich Wein ein. Ich lehnte dankend ab. Helena drückte er, ohne zu fragen, einen Becher in die Hand.
    »Das ist nicht die Frau, mit der Sie gekommen sind«, bemerkte er spöttisch, wieder an mich gewandt.
    »Nein, Senator. Das ist eine hochherzige junge Dame, die sich bereit fand, mir bei der Suche nach Ihnen behilflich zu sein. Sie versteht sich hervorragend aufs Blindekuhspielen.«
    Helena Justina, die unserer Unterhaltung bisher stumm gefolgt war, stellte ihren Becher unberührt zur Seite. »Die Dame, in deren Begleitung Didius Falco herkam, ist meine Freundin. Ich werde Fausta gegenüber dieses Gespräch nie erwähnen, aber mich beschäftigt doch sehr, welche Absichten Sie ihr gegenüber verfolgen.«
    Crispus schien zunächst völlig verblüfft über diese Dreistigkeit einer Frau, aber er faßte sich rasch wieder und antwortete ihr ebenso offen wie vorher mir: »Es könnte reizvoll sein, meine Position in diesem Fall zu überdenken.«
    »Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Hypothetisch natürlich!«
    »Natürlich!«
    »Ein Mann, der den Palatin im Auge hat, könnte sich darauf besinnen, daß Aemilia Fausta aus guter Familie kommt, einen Konsul zu ihren Vorfahren zählt und einen Bruder hat, der auf dem besten Wege ist, dieses ehrenvolle Amt ebenfalls zu erringen. Ihr Profil würde auf der Rückseite eines Silberdenars sicher gut wirken; sie ist jung genug, um eine Dynastie zu gebären, so treu und anhänglich, daß sie jeden Skandal vermeiden würde …«
    » Zu anhänglich!« unterbrach er.
    »Macht Ihnen das zu schaffen?« mischte ich mich ein.
    »Früher hat mich das gestört, ja. Heute auch.«
    »Warum haben Sie ihr dann einen Platz an Ihrer Tafel angeboten?« Helena war unerbittlich.
    »Weil ich keinen Grund sehe, die Dame zu demütigen. Wenn Sie ihre Freundin sind, dann versuchen Sie ihr klarzumachen, daß ich eine politische Heirat eingehen könnte – aber nicht mit diesem Sturm von Leidenschaft auf ihrer Seite und der Flaute auf der meinen.« Es gelang ihm nur mit knapper Not, ein Schaudern zu unterdrücken. »Unsere Ehe wäre ein Fiasko. In ihrem eigenen Interesse sollte Faustas Bruder sie mit einem anderen vermählen …«
    »Das wäre dem armen Mann gegenüber, auf den die Wahl träfe, in höchstem Maße unfair.« Helena hielt ihn offensichtlich für einen ausgemachten Egoisten. Vielleicht war er einer; vielleicht hätte er das Wagnis auf sich nehmen sollen – und beide, sich und Fausta, ins häusliche Elend jeder Durchschnittsehe stürzen. »Was werden Sie also tun?« fragte Helena leise.
    »Wenn das Fest zu Ende ist, bringe ich sie auf meiner Jacht heim nach Herculaneum. Unterwegs werde ich ihr, unter vier Augen, ganz ehrlich sagen, daß sie sich keine Hoffnungen machen soll. Aber nur keine Angst. Sie wird sich nicht aufregen; sie wird mir nicht glauben; das hat sie bis jetzt noch nie getan.«
    Nach soviel Freimütigkeit blieb nichts mehr zu sagen.
     
    Ich stand auf und holte den Brief, den ich seit so vielen Wochen bei mir trug, aus den Falten meiner Tunika. »Vespasians Billetdoux?« Er lächelte entspannt.
    »Ganz recht.«

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