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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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dreinblickenden Herren oder Frauen mit Wurstfingern und falschen Haaren war noch Platz. Ich umrundete eine Reihe von Kellnern mit Endiviensalat auf den geschulterten Tabletts und schlängelte mich dann durch bis zu Silvia und Petronius.
    »Laß bloß die Muschelklößchen stehen!« warnte Silvia, kaum, daß sie mich begrüßt hatte. »Ludus hat schon vor einer halben Stunde gesehen, daß sie geronnen sind. Am oberen Tisch gibt’s Straußenfleisch, aber das wird wohl nicht bis zu uns reichen …«
    »Na, was gibt’s denn sonst noch, Lucius?« fragte ich aufgeräumt. Ich wußte natürlich, daß er Lucius hieß, obwohl ich ihn nur so nannte, wenn wir mächtig einen geladen hatten. »Ist das am Ende eins von diesen Festen, wo ein raffinierter Koch ein Faß Köhlerfisch so anrichtet, daß es aussieht wie vierzig verschiedene Sorten Fleisch?«
    Petro grinste, sperrte den Mund auf und schob eine Handvoll Oliven hinein; sie waren ausgezeichnet – große, pralle Früchte aus Ancona, die in Öl- und Kräuterlösungen eingelegt wurden, bis sie ein Aroma entfalteten, das die kleine, harte, in Salzlake gelagerte Sorte aus Halmada nie erreichte.
    Petronius erzählte, für den heutigen Abend seien so viele Hummer und Barsche gefangen worden, daß der Wasserspiegel in der Bucht sich um zwei Zoll gesenkt hätte. Zwei schon etwas angeheiterte Einheimische prahlten mit den Austern von Baiae; wir hörten schweigend zu und erinnerten uns dabei beide an jene Austern, die die Fischer in Britannien aus dem kalten, nebligen Kanal zwischen Rutupiae und Thanet heraufholen. Petro nahm einen Schluck Wein und verzog das Gesicht. Er hatte, seit ich aus Oplontis fort war, die verschiedensten Sorten des hiesigen Anbaugebietes probiert, und verbreitete sich nun gelehrt und begeistert über prickelnde Weißweine und würzigen Rotspon. Ich schaufelte die Horsd’œuvres in mich hinein und grämte mich, daß ich seine Gesellschaft aufgegeben hatte.
    Petro fehlte mir wirklich. Dieses schmerzliche Sehnsuchtsgefühl erinnerte mich daran, daß ich einen Auftrag zu erfüllen hatte. Je schneller ich ihn erledigte, desto eher konnte ich von Herculaneum fort und wieder zurück zu meinen Freunden …
    Falls die Mietkellner darauf spekulierten, früh nach Hause zu kommen, hatten sie sich verrechnet. Die Gäste hatten sich auf eine lange Nacht eingerichtet. Der Plebs achtete noch auf seine Manieren, aber die Senatoren und die Damen luden sich ungeniert den Teller voll und aßen doppelt soviel wie daheim. Schließlich kostete es hier nichts. Lärmen, Lachen und der Duft brutzelnder Weinsaucen wehten mit der kühlen Abendbrise gewiß bis ins drei Meilen entfernte Pompeji hinüber. Die Getränkesklaven schlitterten auf nassen Sohlen und kamen mit dem Einschenken kaum nach. Kein Zweifel, Crispus war auf dem besten Wege, sein Ziel zu erreichen. Es war genau die Art schauderhafter Gemeinschaftsvöllerei, die jeder als wunderbares Erlebnis in Erinnerung behalten würde.
     
    Ich verputzte hastig einen mit Ingwer gewürzten Entenflügel, Salat und ein paar Bissen Schweinebraten in Pflaumensauce, bevor ich zum Triklinium zurückschlich. Die Dinge hatten sich hier schneller entwickelt, als mir lieb war. Der Hausherr samt seiner engeren Gesellschaft hatte sich schon zurückgezogen. Die beiden wandelnden Schmuckständer unterhielten sich über ihre Kinder, ohne den jüngeren Mann an ihrer Seite zu beachten, vor dem eine Tänzerin hypnotisch ihren Nabel kreisen ließ.
    Nach der Präzision zu schließen, mit der die Bewirtung geplant und vonstatten gegangen war, nahm ich an, daß der Hausherr sich jetzt ein wenig unter die Gäste mischen würde. Auf Tuchfühlung gehen nannte Helena Justina das. Er würde von Tisch zu Tisch gehen und geschickt für sich Werbung betreiben. Aufidius Crispus war ein Spekulant großen Stils.
    Ich machte kehrt, kämmte die Räume durch und bat immer wieder einen der gehetzten Kellner, mir Crispus zu zeigen, falls er in Sichtweite sei. Ein Duftsprenger lockte mich in einen Peristylgarten, weil er ihn dort vermutete, aber ich sah mich wieder enttäuscht.
    Es war niemand da – außer einer Frau, die still auf einer Steinbank saß und so aussah, als erwarte sie jemanden. Eine junge Frau in duftigem Kleid mit wenig Schmuck und schönem, dunklem Haar unter einem goldgewirkten Netz …
    Es war ihre Sache, wenn sie sich einen Verehrer angelacht hatte. Ich würde mich nicht einmischen und ihr die Freude verderben. Wenn ich trotzdem blieb, dann nur, weil

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