Bronzeschatten
fördern. Halb Latium und eine schnittige Jacht waren am Ende doch nicht genug, um sich das Wohlwollen aller Provinzen, des Senats, der Prätorianer und des wankelmütigen Pöbels auf dem Forum zu sichern …
Um ihn von der Sinnlosigkeit seiner Pläne zu überzeugen, gab ich preis, was ich mir inzwischen zusammengereimt hatte: »Curtius Gordianus warnte Sie in seinem Brief vor Pertinax’ Freigelassenem, einem gewissen Barnabas, der sich zum Rächer seines Herrn aufgeschwungen hat. Dieser Barnabas war heute abend hier, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und was wollte er? Sie etwa als Geldgeber für sein albernes Korngeschäft gewinnen?«
»Mir scheint, Sie haben mich nicht ganz verstanden, Falco«, meinte Crispus auf seine freundliche, gewinnende Art.
Er blickte mich forschend an. Ich kam mir vor wie ein Idiot, der durch Zufall auf ein wichtiges Indiz gestoßen ist, ohne dessen Bedeutung zu verstehen.
Crispus’ Andeutung hatte ich tatsächlich nicht verstanden, aber ich bin kein Amateur, den seine eigene Unsicherheit zum Aufgeben verführt.
Wo immer sich der Kornhandel in dieses Rätselspiel fügte, würde Aufidius Crispus im Vordergrund stehen. Ich fragte mich, ob er – vielleicht zusammen mit Pertinax vor dessen Tod – sich eine kleine Variante der ursprünglichen Verschwörung ausgedacht hatte – einen Extratrick, von dem nur sie beide profitiert hätten. Ob Crispus immer noch hoffte, damit durchzukommen? War Barnabas heute abend hier gewesen, weil er sich an dem von Crispus und seinem Herrn ausgeheckten Schwindel beteiligen wollte? Und hatte der hilfsbereite, ehrliche Makler daraufhin beschlossen, daß Barnabas besser aufgehoben wäre, wenn er mir in einer feuchten Gefängniszelle seine Lebensgeschichte erzählte?
»Sie wissen, daß Barnabas als Mörder von Longinus gesucht wird? Wollen Sie ihn ausliefern, Senator?«
Ich wußte, daß Aufidius Crispus unter der leutseligen Fassade ein gefährlicher Mann war, der, wie die meisten seines Schlages, ebenso schnell ein lästiges Mitglied aus den eigenen Reihen wie einen Gegner auslöschen würde. Vielleicht sogar noch schneller. »Versuchen Sie’s mal in der Villa Marcella«, schlug er ohne Zögern vor.
»Hab ich’s mir doch gedacht! Ich habe keine Handhabe für eine Hausdurchsuchung, aber wenn das ein verläßlicher Tip ist, kann ich den Freigelassenen festnehmen …«
»Meine Tips sind immer verläßlich.« Aufidius lächelte sein unbekümmertes Lächeln. Dann wurde sein Gesicht streng. »Allerdings rate ich Ihnen, Falco, sich auf eine Überraschung gefaßt zu machen!«
Damit war ich entlassen. Er hielt Vespasians ungeöffneten Brief in der Hand, und ich wollte ihm Gelegenheit geben, die Papyrusrolle zu lesen, bevor die Tinte verblaßte oder die Käfer sich darüber hermachten. Die Klinke schon in der Hand, wandte ich mich noch einmal um.
»Ein Wort zu Ihrem Freund Maenius Celer. Ich habe ihn geschlagen, weil er eine Dame belästigt hat.«
»Das sieht ihm ähnlich!« Crispus zuckte die Achseln. »Er meint es nicht böse.«
»Sagen Sie das der Dame!«
Überrascht blickte Crispus auf. »Was denn? Camillus’ Tochter? Aber sie sah doch …«
»… ganz makellos aus? Nun, das tut sie immer.«
»Ist das eine offizielle Anklage?«
»Nein«, knurrte ich geduldig. »Das ist die Erklärung dafür, warum ich Ihren Freund geschlagen habe.«
»Worauf wollen Sie nun eigentlich hinaus, Falco?«
Ich hätte es ihm nicht erklären können.
Er war ein ebenso kluger wie umsichtiger Spekulant. In einem offenen Wettstreit mit den Flaviern hätte ich womöglich ihm meine Stimme gegeben. Aber ich wußte, daß der altmodische, strenge Vespasian (der wie ich der Meinung war, daß es nur dann Spaß macht, mit einer Frau ins Bett zu gehen, wenn sie einverstanden ist) die angeblich harmlosen Eskapaden eines Maenius Celer aufs schärfste verurteilt hätte. Und ich hatte die Erfahrung gemacht, daß Männer, die meine Ansichten über Frauen teilten, auch im politischen Leben die zuverlässigeren Partner waren. Woraus folgt, daß Aufidius Crispus sich soeben meine Stimme verscherzt hatte.
Unser Gespräch war sinnlos geworden.
LIV
Helena war verschwunden. Ich hätte sie gern gesucht, hatte aber Aufidius Crispus versprochen, in der Kolonnade zu warten. Ziellos schlenderte ich über die Terrasse. Erst als das Stimmengewirr des Haupthauses hinter mir verklungen war und nur noch ein paar vereinzelte Lampions die Dunkelheit erhellten, blieb ich an einem schmalen Pier stehen,
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