Bronzeschatten
wundzuschlagen. Wenn es das war, was Helena Justina wollte, dann war jede Szene sinnlos. Er hatte den Rang (was mich kalt ließ), aber er hatte auch die Frau. Ich konnte nur den kürzeren ziehen.
Helena blieb stumm und hielt den Blick gesenkt; Rufus übernahm die Führung: eine starke Frau, die sich von einem Durchschnittsmann unterbuttern läßt. Sie warf sich weg an diesen Laffen. Aber das tun ja die meisten.
»Wie ich höre«, sagte Rufus, »fungieren Sie von Zeit zu Zeit als Helenas Leibwächter. Nun, sie braucht Sie jetzt!« Seiner betont lässigen Art nach mußte er irgendeine Katastrophe vertuschen, von der ein so niederes Subjekt wie ich nichts zu wissen brauchte.
Ich hasse es, wenn man mich von oben herab behandelt. »Bin für die nächste Zeit völlig ausgebucht.«
Helena wußte, wann ich wütend war, besonders, wenn mein Zorn ihr galt. »Didius Falco! Wir haben heute abend etwas erfahren, was ganz unglaublich klingt. Aber wenn es wahr ist … ich muß mit dir sprechen …« Ein paar Nachtschwärmer tauchten auf und drängten uns grölend beiseite. »Aber nicht hier …« stammelte sie hilflos.
Ich zuckte die Achseln. Ich wollte sowieso gerade gehen. Da Crispus Aemilia Fausta auf seiner Jacht heimbringen wollte, war ich für den Rest der Nacht mein eigener Herr.
Rufus ließ Helena los. »Ich kümmere mich um deine Sänfte.«
Er verließ den Raum. »Du hast dich ja schnell getröstet!« giftete ich Helena an. Im Schein der Lampen glänzten ihre Augen so dunkel wie schwarze Oliven; bei meiner gefühllosen Stichelei schlug sie sie mit einem so verzweifelten Blick zu mir auf, daß mich unverhofft die Reue überkam.
Helena ging eilig hinter dem Magistrat her; ich schloß mich an. Als wir ins Atrium kamen, bedeutete uns Rufus, daß er alles Nötige veranlaßt habe, und wandte sich dann einer anderen Gruppe zu. Bestimmt dauert diese Affäre schon lange, dachte ich verbittert. Wir warteten draußen, wo eine Brise vom Meer herauf wehte und es friedlicher war.
Die Luft war merklich abgekühlt, aber immer noch angenehm. Selbst ich mußte zugeben, daß der Golf von Neapolis eines der schönsten Fleckchen auf der Karte des Imperiums war.
Es war eine laue, schöne Nacht, und ich konnte nichts weiter damit beginnen, als die friedvolle Stimmung mit der Frau an meiner Seite zu teilen – die sich einst so geheimnisvoll zärtlich an mich geschmiegt hatte, heute aber wieder ganz sie selbst war: die Tochter eines Senators und die Geliebte eines Magistrats. Welten trennten sie von einem Niemand wie mir.
Ihre Sänfte ließ eine Ewigkeit auf sich warten.
»Wie ist es mit Crispus gegangen?« fragte sie tonlos, als das Schweigen allzu bedrückend wurde.
»Ich konnte ihn nicht überzeugen.«
»Was wird er jetzt tun?«
»Ich weiß nicht.«
»Vielleicht weiß er es selbst noch nicht.« Sie sprach ruhig, nachdenklich. Ich ließ sie reden. »So ist er nun mal. Er entscheidet aus einer Laune heraus und ändert seine Meinung ganz unvermittelt wieder. Einmal hat er sich mit Pertinax über Pferde unterhalten. Nach langem Hin und Her, als sich endlich alle darauf geeinigt hatten, auf wen sie wetten wollten, kaprizierte Crispus sich urplötzlich auf ein anderes Pferd.«
»Und? Hat er gewonnen?«
»Nein, das war ja das Verrückte. Er hat sogar meist viel Geld verloren. Er begriff einfach nicht, wie gut Pertinax sich mit Pferden auskannte.«
Unwillkürlich war mein Interesse geweckt. »Machte es ihm etwas aus, zu verlieren?«
»Nein. Geld oder das Gesicht zu verlieren – das hat ihn noch nie geschreckt.«
»Auch die Politik ist ihm anscheinend bloß ein Spiel. Eine Zerstreuung. Ihn treibt nicht die Empörung über irgendeine Ungerechtigkeit, ja nicht einmal wirklicher Ehrgeiz! Gordianus war viel leidenschaftlicher bei der Sache! Wenn das Schlimmste, was Crispus dem Kaiser vorwirft, ist, daß Vespasian damals in Afrika das Geld ausging, dann nagt gewiß keine unbezwingliche Eifersucht an ihm …« Die Ruhe, die Helena ausstrahlte, half mir, das Problem für mich zu analysieren. »Man könnte ihn vielleicht umstimmen. Er hat Talent; er sollte eine angemessene Position bekommen. Aber der Kaiser hat den Falschen geschickt, um ihn zurückzugewinnen. Crispus hält mich für ungefähr so bedeutend wie ein Löckchen in einem Lämmerschwanz; und er hat recht damit …«
»O nein, das hat er nicht!« Ihre Stimme kam wie von sehr weit her. »Du schaffst es, Falco. Du schaffst es bestimmt!« Plötzlich wandte sie sich mir zu und
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