Bronzeschatten
lehnte sich an mich. »O Marcus, ich halte das alles nicht aus – Marcus, nimm mich in den Arm! Bitte, nur einen Augenblick …«
Ich machte mich schroff von ihr los.
»Die Frauen anderer Männer haben zwar gewisse Reize – aber Sie müssen schon entschuldigen, ich bin heute abend nicht in Stimmung!«
Sie stand aufrecht wie eine Lanze, und ich hörte sie erschrocken nach Luft ringen.
Ich hatte mich selbst schockiert.
Zeit zum Aufbruch. Träger in der Marcellus-Livree kamen mit ihrer Sänfte herbeigeeilt. Rufus war nirgends zu sehen.
»Zwei Dinge wollte ich dir sagen«, flüsterte Helena. »Mit einem muß ich selber fertig werden. Aber ich bitte dich, mich zur Villa zu begleiten …«
»Warum kann das nicht dein hübscher Freund besorgen?«
»Weil ich dich dabei haben möchte.«
»Und warum sollte ich wieder für dich arbeiten?«
Sie blickte mir fest in die Augen. »Weil du ein Profi bist und weil du siehst, daß ich Angst habe!«
Ich war ein Profi. Das vergaß sie nie. Manchmal wünschte ich, sie würde es tun.
»Also gut. Zu den üblichen Bedingungen«, antwortete ich leise. »Wenn ich dir eine Anweisung gebe, dann befolgst du sie ohne Widerrede. Und um wirklich etwas ausrichten zu können, muß ich wissen, wovor du dich fürchtest.«
»Vor Gespenstern.«
Damit ging sie zu ihrer Sänfte, ohne sich noch einmal umzublicken. Sie wußte, daß ich ihr folgen würde.
Es war eine einsitzige Sänfte. Ich mußte die zwei Meilen bis zur Villa hinterhertippeln; Zeit genug, mich in meinen Zorn auf Rufus hineinzusteigern.
Helena hatte vier Sänften- und zwei dralle kleine Fackelträger, und alle sechs machten ein Gesicht, als wüßten sie genau, warum Ihre Durchlaucht mich mitbrächte. In den Weinbergen passierten wir viele lauschige Fleckchen, wo es sich angeboten hätte, Rast zu machen und die Aussicht zu bewundern. Ich ertrug zähneknirschend die Verachtung der Träger, als wir nirgends anhielten und sie ihren Irrtum erkannten.
Das Haus lag still im Finstern.
»Laß mich vorausgehen!« Ich war wieder ihr Leibwächter, und so hielt sie sich dicht hinter mir, nachdem ich ihr aus der Sänfte geholfen hatte. Ich ließ sie erst ins Haus eintreten, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß alles ruhig war. Hier auf dem Land brauchte man keinen Portier zu rufen; die hohen Flügeltüren waren weder abgesperrt noch verriegelt.
»Komm mit, Falco, wir müssen unbedingt etwas besprechen!«
Auf den Fluren brannten kleine Tonlämpchen, aber wir begegneten nirgends einer Menschenseele. Wir machten im Obergeschoß vor einer schweren Eichentür halt, hinter der ich ihr Schlafzimmer vermutete. »Hör zu«, sagte ich kurz angebunden. »Ich kann in Streitstimmung nicht arbeiten. Eine Klientin zu beschimpfen war unprofessionell; ich bitte um Entschuldigung.« Dann öffnete ich die Tür, ohne ihre Antwort abzuwarten, und schob sie mit sanftem Druck über die Schwelle.
Der kleine Vorplatz bot eine Schlafnische für eine Sklavin, aber Helena war nicht der Typ, der die ganze Nacht über Dienstboten um sich behielt. Das Schlafzimmer hinter den geschlossenen Portieren war erleuchtet, aber als ich die Tür hinter uns geschlossen hatte, standen wir praktisch im Dunkeln. Ich sagte etwas Banales wie: »Findest du dich zurecht?« Dann streifte ich im Finstern Helena Justina, die sich mir zugewandt hatte. Ich mußte also rasch entscheiden, ob ich ehrerbietig zurücktreten solle – oder nicht.
Die Entscheidung fiel von selbst. Es wurde ein langer Kuß, mit einer Menge angestauter Frustration meinerseits, und falls ich wirklich glaubte, daß sie mit dem Magistrat schlief, dann mag man sich wundern, warum ich es so weit kommen ließ.
Ich wunderte mich selber. Aber ich hatte nichts dagegen, Ihrer Durchlaucht zu beweisen, daß ihr, egal was sie anderswo finden mochte, in der rohen Umarmung ihres Leibwächters Besseres geboten würde …
Als ich anfing zu glauben, daß ich sie überzeugt hätte, fiel drüben im Schlafzimmer krachend eine metallene Lampe zu Boden.
LVI
Bebend vor Erregung stürmte Helena als erste ins Schlafzimmer. Ich sah gerade noch, wie jemand durch eine Geheimtür entwischte: schmaler Körperbau, dünne Beine, helles Haar und Kinnbart, gehüllt in eine weiße Tunika – eine Gestalt, die mir irgendwie bekannt vorkam. Beinahe hätte ich ihn erwischt; wir waren beide gleichermaßen überrascht, aber mir lief die Galle über, weil er der Dame aufgelauert hatte.
Ich mußte ihn laufenlassen. Ich mußte,
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