Bronzeschatten
hatte, jetzt saß er unweigerlich dort fest.
Ich hieß die Sklaven Truhen vorrücken und leere Fässer umkippen. Wenn ich mit meiner Untersuchung fertig war, würden sie mindestens eine Woche brauchen, um wieder Ordnung zu schaffen. Es gab nicht einen Ballen schmutziger Wäsche, dessen Verschnürung ich nicht mit meinem Messer aufgeschlitzt hätte, und keinen Sack Getreide, gegen den ich nicht so lange trat, bis er platzte. Mit einem Beutel Hühnerfedern, die als neue Kissenfüllung vorgesehen waren, ließ sich eine herrliche Schweinerei veranstalten. Katzen stoben jaulend vor mir davon. Die Tauben auf dem Dach trippelten im Finstern von einem Fuß auf den anderen und gurrten verstört.
Schließlich landete ich in dem Wohnraum, wo Helena und Marcellus schweigend beisammensaßen, ganz erschlagen von der Verwüstung, die ich angerichtet hatte. Helena trug einen langen Wollschal fest über die Brust gebunden. Ich legte ihr noch eine Stola über die Knie.
»Haben Sie ihn gefunden?« fragte der Konsul und gab endlich das Versteckspiel auf.
»Natürlich nicht. Ich bin fremd hier, und er kennt Ihre Villa in- und auswendig. Aber er ist hier! Ich hoffe bloß, er liegt zusammengekrümmt in einem Backofen, das Gesicht in der Asche und einen Schürhaken im Ohr! Und wenn er jetzt anfängt, Ihre Schwiegertochter zu bedrohen, dann wünschte ich, jemand würde den Ofen anzünden, solange er noch drin ist!«
Ich ließ mich neben Helena Justina auf ein Knie nieder. Marcellus konnte der Blick, mit dem ich sie ansah, nicht entgangen sein. Aber das war mir jetzt egal. »Hab keine Angst. Ich lasse dich nicht allein!«
Ich spürte ihren mühsam unterdrückten Zorn, als sie sich jetzt Marcellus zuwandte; ihre Stimme bebte vor Entrüstung. »Das ist ungeheuerlich!« Es schien, als habe sie auf meinen Beistand gewartet, bevor sie den Alten angriff. »Ich kann’s kaum fassen – was hatte er in meinem Zimmer zu suchen?«
»Dummheit. Hast du ihn erkannt?« fragte der Konsul vorsichtig.
»Und ob!« zischte Helena. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, daß ihre Antwort Marcellus mehr sagte als mir. »Ich nehme an, er wird mit mir sprechen wollen. Aber heute abend will ich ihn nicht sehen – ich bin zu angegriffen. Er soll morgen kommen und sich anmelden lassen vorher, wie sich das gehört!«
Ich sprang auf. »Helena Justina, das kommt nicht in Frage!«
»Mischen Sie sich nicht ein, Falco!« brauste der Konsul auf. »Sie haben hier nichts verloren. Verlassen Sie mein Haus!«
»Nein, Falco bleibt«, gab Helena in ihrer überlegenen Art zurück. »Er arbeitet für mich.« Die beiden trugen einen stummen, nur mit Blicken geführten Kampf aus, aber Helena hatte so ruhig und bestimmt gesprochen, daß mit ihrem Einlenken nicht zu rechnen war.
Verärgert rutschte der Konsul auf seinem Sitz hin und her. »Helena ist hier nicht in Gefahr, Falco. Niemand wird mehr ihre Privatsphäre verletzen.«
Ich wollte losbrüllen, daß Barnabas schließlich ein Mörder sei, aber womöglich hätte ihn das erst recht zum Äußersten getrieben.
Helena schenkte mir ein mattes Lächeln. »Was heute nacht geschehen ist, war zwar ein Fehler, aber ungefährlich für mich«, sagte sie. Ich widersprach nicht mehr. Ein Leibwächter hat die Aufgabe, Angreifer abzuwehren; die Erklärung ihrer niederträchtigen Motive überläßt man besser den liberalen Philosophen.
Ich machte Marcellus klar, daß Helena erschöpft sei und ich fest entschlossen war, sie bis auf ihr Zimmer zu begleiten.
In Helenas Schlafzimmer drängten sich die Dienstboten. Um ihrer Sicherheit willen, war mir das recht. Im übrigen war die Lage jetzt so ernst, daß ich mir neckische Flausen – wie Helena auf dunklen Vorplätzen zu küssen – verkneifen mußte.
Ich geleitete sie über die Schwelle und zwinkerte ihr dann aufmunternd zu. Dem Klienten das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln war Teil meiner erstklassigen Serviceleistungen. »Siehst du, ganz wie in alten Zeiten!«
»Ich bin so froh, daß du da bist!«
»Schon gut. Du brauchst Ruhe. Wir reden morgen weiter. Aber ich bin strikt dagegen, daß du Barnabas triffst.«
»Wenn es sein muß, werde ich ihn empfangen …« Sie stockte. »Du weißt noch nicht alles über ihn, Marcus …«
»Dann sag’s mir!«
»Erst, wenn ich ihn gesprochen habe.«
»Aber du wirst nicht mit ihm sprechen. Ich dulde nicht, daß er dich noch einmal belästigt!« Sie rang zornig nach Luft, doch dann trafen sich unsere Blicke, und sie beruhigte sich
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