Bronzeschatten
weil Helena, kaum daß sie in ihr Schlafzimmer gerannt war, einen Schrei ausstieß und in Ohnmacht fiel.
Ich konnte sie gerade noch auffangen; sie war unverletzt. Ich trug sie aufs Bett, griff nach einer Tischglocke und läutete stürmisch; dann rannte ich hinaus auf den Balkon. Der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Ich sauste zurück auf den Innenkorridor und schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
Helena kam wieder zu sich. Unter besänftigendem Gemurmel beugte ich mich über sie, öffnete ihren Gürtel und nestelte das blaublitzende Geschmeide an ihrem Hals auf; sie wehrte benommen ab. Unter den schweren Lapislazuli trug sie ein hauchzartes Kettchen, das bis tief in ihren Ausschnitt reichte. Ich zog es heraus und erwartete ein Amulett.
Wie töricht von mir: Helena wurde mit dem bösen Blick ganz allein fertig. Der Anhänger an dem Kettchen war mein silberner Ring. Instinktiv griff sie danach und ließ ihn nicht mehr los.
Mein Lärmen hatte das Personal alarmiert; aufgeregt stürzten ihre Mägde ins Zimmer. Ich drängte mich an ihnen vorbei, überließ alle Erklärungen Helena und machte mich an die Verfolgung des Eindringlings. Für mich stand fest: Es konnte nur Barnabas gewesen sein.
Ich hetzte hinüber zu den Stallungen, überzeugt, ihn hier zu finden. Der Trainer Bryon erschien in höchster Verwirrung. Er war ein ziemlich kräftiger Mann, doch bevor er wußte, wie ihm geschah, hatte ich ihn an beiden Armen gepackt und mit dem Hinterkopf gegen einen Pfosten geschlagen.
»Wo ist er?«
Seine Augen richteten sich unwillkürlich auf den Bau, wo die Rennpferde untergebracht waren. Ich setzte im Laufschritt über den Hof. Der reizbare Champion Ferox scheute, bäumte sich auf und trommelte mit den Hufen gegen die Holzverschalung, aber sein Kamerad, dieser zerzauste Flederwisch, wieherte mir freudig entgegen. Ich blickte verzweifelt in die Runde. Dann sah ich es: Ein windiges Holztreppchen führte neben der Box des abgehalfterten Kleppers zu einer Bodenkammer hinauf. Ohne zu überlegen, stürmte ich nach oben. Der Freigelassene hätte mir leicht den Schädel einschlagen können, als ich die Luke aufstemmte; zum Glück war er nicht da.
»Alle Achtung!«
Es war der bestausgestattete Heuboden, den ich je gesehen hatte: ein Gitterbett, ein Elfenbeintisch, ein Amor, der eine Muschellampe hielt, ein Weinregal, die Überreste eines dreigängigen Menüs auf einem Silbertablett, Olivenkerne, verstreut wie Karnickellosung – ein schlampiger Bewohner … der durch Abwesenheit glänzte. Der grüne Unglücksmantel hing an einem Kleiderhaken neben dem Bett.
Bryon versuchte Ferox zu beruhigen, als ich in den Stall hinunterkam.
»Ich suche immer noch nach Barnabas – aber jetzt weiß ich, daß er hier ist!«
Ohne Zweifel hatte man die Dienstboten angewiesen, den Freigelassenen nicht zu erwähnen. Bryon warf mir einen finsteren Blick zu. »Er kommt und geht. Meistens geht er; jetzt ist er wieder weg.«
Ferox scheute aufs neue, und Bryon behauptete, ich würde das Pferd ängstigen. »Wir können das auf angenehme Art regeln, Bryon – oder auch anders!«
»Ich weiß wirklich nicht, wo er steckt, Falco – vielleicht bei dem Alten. Aber von mir haben Sie das nicht – so was kann mich Kopf und Kragen kosten …«
»So wie ich Barnabas kenne, stimmt das!«
Ich rannte hinaus.
Ich wußte, daß ich kaum eine Chance hatte, ihn aufzuspüren, aber wenn Marcellus und er miteinander im Bunde waren, bestand wenigstens die Hoffnung, daß der Freigelassene sich hier sicher fühlen und also auf dem Anwesen bleiben würde. Ich durchkämmte den ganzen Gutshof und scheuchte sogar die Hühner auf; dann suchte ich das Haus ab. Diesmal sollte jeder merken, daß ich Bescheid wußte. Ich stürmte in unbewohnte Salons, schloß Dachkammern auf, drang in die Bibliothek ein. Ich stellte Gästezimmer auf den Kopf. Ich betatschte die Latrinenschwämme und zählte nach, wie viele davon feucht waren. Ich fuhr mit dem Finger über die Sitzpolster im Speisezimmer und prüfte, welche Staub angesetzt hatten und welche nicht. Nicht einer der triefäugigen Sklaven, die ich aus ihren Verschlägen trommelte, konnte jetzt noch behaupten, er wisse nichts von einem dünnen, bärtigen Mann im Hause seines Herrn oder habe noch nicht gehört, daß der übellaunige Kurier des Kaisers nach ihm fahnde. Sie krabbelten einer nach dem anderen heraus und standen halb nackt herum, bis die ganze Villa taghell erleuchtet war: Wo immer er sich versteckt
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