Bronzeschatten
Schindmähre immer noch an einen Abdecker verkaufen. Bei all seinen Schwächen war der Gaul doch gut genährt und auf den ersten Blick frei von gefährlichen Krankheiten; viele der Pastetenverkäufer entlang der Via Triumphalis und vor der Basilika verkauften weit schlimmeres Zeug.
Also behielt ich ihn und sparte das Geld für die Heimfahrt, mußte mich dafür freilich die ganze Via Appia hinauf mit diesem schielenden, x-beinigen, launischen Biest rumquälen, das jetzt mir gehörte.
TEIL VI
Das Haus auf dem Quirinal
Rom
August
»Menschen eines bestimmten Charakters müssen notwendigerweise ihrer Natur gemäß handeln. Wer das nicht will, der könnte genausogut der Feige verbieten, ihren Saft zu spenden. Vergiß im übrigen nie, daß sowohl du wie der Mensch dort binnen kürzester Frist sterben werdet und daß man sich bald darauf nicht einmal mehr eurer Namen erinnern wird!«
Marc Aurel: SELBSTBETRACHTUNGEN
LXXVI
Rom! Schon das geschäftige Summen der Großstadt überzeugte mich: Pertinax mußte hier sein.
Sogar jetzt im August, da die Hälfte der Einwohner verreist und die Luft so kochend heiß war, daß man sich beim Atmen Leber und Lunge versengte, kehrte mit der Ankunft in Rom das wirkliche Leben in meine Adern zurück, eine Wohltat nach dem nervtötenden Flimmern über der Campania. Begierig sog ich die Großstadtatmosphäre in mich auf: die Tempel und Brunnen, die erstaunliche Höhe der schäbigen Mietskasernen, die Arroganz der kultivierten Sklaven, die am Straßenrand entlangtrotteten, die Tropfen auf meinem Kopf, wenn mein Weg unter dem düsteren Bogen eines Aquädukts hindurchführte – muffige Kleider und lebhaftes Temperament, ein süßer Hauch von Myrrhe im sauren Mief eines Bordells, ein frischer Oreganoduft über dem unverwechselbaren Gestank vom Fischmarkt. Mit geradezu kindlicher Freude durchstreifte ich diese Gassen. Aber nach und nach dämpfte sich meine Begeisterung. Rom hatte sich über tausend Gerüchte erregt, seit ich fort war, aber keines davon betraf mich. Es begrüßte meine Rückkehr mit der Gleichgültigkeit eines gekränkten Hundes.
Zuerst mußte ich das Pferd so schnell wie möglich loswerden.
Mein Schwager Famia war Pferdedoktor bei den Grünen. Einen meiner Verwandten um einen Gefallen zu bitten war mir zwar zuwider, aber nicht einmal ich konnte in einer Wohnung im sechsten Stock ein Rennpferd halten, ohne bei den Nachbarn anzuecken. Famia war noch der erträglichste unter den Ehemännern, die meine fünf Schwestern der Familie aufgebürdet hatten, und er war mit Maia verheiratet, die meine Lieblingsschwester hätte sein können, wenn sie sich nicht ausgerechnet für ihn entschieden hätte. Maia, die sonst so helle und scharf war wie die Kupfernägel, die die Priester an Neujahr in die Tempeltüren schlagen, schien für die Fehler ihres Gatten blind und taub. Vielleicht hatte er aber auch bloß so viele, daß sie mit dem Zählen nicht mehr nachkam.
Ich fand Famia in den Ställen seines Clubs, beim Circus Flaminius. Er hatte hohe Wangenknochen, Schlitze, wo eigentlich die Augen hingehören, und war ebenso breit wie groß. Er konnte sich denken, daß ich etwas von ihm wollte, weil ich mir gefallen ließ, daß er zehn Minuten lang über die miserable Darbietung der Blauen herzog, deren Fan ich war – was er natürlich genau wußte.
Nachdem Famia seinen Spaß gehabt hatte, erklärte ich ihm mein kleines Problem, und er nahm mein Pferd in Augenschein.
»Ist das ’n Spanier?«
Ich lachte. »Famia, sogar ich weiß, daß die Spanier die allerbesten sind! Der da ist so spanisch wie mein linker Schuh.«
Famia holte einen Apfel hervor, den Goldschatz ihm begierig aus der Hand fraß. »Und wie reitet er sich?«
»Furchtbar. Den ganzen Weg hat er nur Faxen gemacht, dabei habe ich ihn wirklich geschont. Ich hasse dieses Pferd, Famia. Aber je mehr er mir zuwider wird, desto anhänglicher gebärdet sich dieser unselige Tolpatsch!«
Während mein Pferd Famias Apfel mümmelte und danach kräftig rülpste, sah ich es mir noch einmal genau an. Manche Pferde spitzen die Ohren schlau und wachsam; das meine schlackerte nur beständig damit. Eine mitfühlende Seele hätte sagen können, es sähe immerhin ganz intelligent aus; ich war weniger sentimental.
»Du bist von der Campania bis hierher geritten? Gut! Das stärkt seine Vorderläufe.«
»Wozu?«
»Na, für die Rennbahn zum Beispiel. Oder was hast du mit ihm vor?«
»So schnell wie möglich
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