Bronzeschatten
suchte, war sie noch genauso düster und eng, wie ich sie in Erinnerung hatte, aber die Weinschenke hatte zwei Tische auf die Straße gestellt, und ein paar Lädchen, die mir damals, während der Siesta, gar nicht aufgefallen waren, hatten jetzt ihre Holzgitter weggeräumt und hofften auf Kundschaft. Bei einem Bäcker erstand ich ein Gebäck, das halb so groß war wie meine Faust, zäh wie die Fleischklößchen meiner Schwester Junia und so schmackhaft wie eine alte Pferdedecke.
Ich nahm mir reichlich Zeit, um diese Köstlichkeit gebührend zu würdigen, besonders die paar harten Bröckchen, die entweder Nüsse waren oder gut geröstete Bohrasseln, die sich in den Teig gemogelt hatten.
Währenddessen linste ich verstohlen zu jenem Fenster im ersten Stock des Hauses hinauf, in dem der angebliche Barnabas seinerzeit gewohnt hatte.
Das Fenster war zu klein und die Mauer zu dick, als daß man viel hätte erkennen können, aber zumindest ein Schatten wanderte hin und her. Ein unverhoffter Glücksfall.
Ich leckte mir eben die Finger sauber, als drüben zwei Männer aus dem Haus traten. Einer war ein Kümmerling mit einem Tintenfaß am Gürtel, offenbar ein Schreiber. Der andere, der sich, ohne auf das lebhafte Geschnatter seines Gefährten zu achten, verstohlen nach allen Seiten umblickte, war Pertinax.
Die beiden gaben sich die Hand und gingen auseinander. Ich ließ das Tintenfaßmännchen vorbei, das die Richtung einschlug, aus der ich gekommen war, und wollte Pertinax folgen. Wie gut, daß ich mir Zeit ließ. Zwei Männer, die an einem der Tische vor der Schenke in ein Brettspiel vertieft gewesen waren, standen abrupt auf. Noch bevor Pertinax die nächste Ecke erreichte, setzten auch sie sich in Bewegung: ihm nach, und zwar direkt vor meiner Nase. Auch diese beiden trennten sich. Einer überholte Pertinax, der andere schlenderte hinterher. Als der Nachzügler an die Ecke kam, trat eine weitere Gestalt zu ihm. Eine plötzliche Eingebung ließ mich hastig in einen Torweg zurückweichen. Als Nummer zwei und drei zusammentrafen, war ich nahe genug, um ihr leises Gespräch zu belauschen.
»Da geht er. Critus ist vor ihm.«
»Und Falco?«
»Noch kein Glück. Ich habe den ganzen Tag seine sämtlichen Kneipen abgeklappert und dann erfahren, daß er daheim geblieben ist. Jetzt bleibe ich erst mal bei dir. Falco finden wir sowieso am besten mit dem da als Köder!«
Die beiden nahmen je einen Bürgersteig und trotteten hinter Pertinax her. Das konnten nur Anacrites’ Männer sein. Ich wartete, bis sie außer Sicht waren.
Noch ein Problem. Jetzt würde ich Pertinax darauf stoßen müssen, daß er verfolgt wurde. Solange es ihm nicht gelang, die Palastwächter abzuschütteln, konnte ich nicht an ihn heran, ohne daß man mich gleich mitverhaftet hätte.
Alles in allem schien mir dies der ideale Zeitpunkt für einen Becher Wein.
LXXXI
Jetzt am Abend war die Weinschenke brechend voll. Die Stammkundschaft waren Pflasterer und Heizer, muskulöse Männer in der Arbeitstunika mit großem Durst und schweißgebadet. Ich schlängelte mich ausgesucht höflich zwischen ihnen durch zur Theke vor, bestellte bei der häßlichen alten Wirtin einen Krug und sagte, ich würde draußen Platz nehmen. Wie vermutet, kam die Tochter, um mir den Wein zu bringen.
»Was macht ein hübsches Mädchen wie Sie in dieser Spelunke?«
Tullia schenkte mir das Lächeln, das sie für Freunde reserviert hatte, und stellte Krug und Becher auf den Tisch. Ich hatte ganz vergessen, was für ein hübsches kleines Ding sie war. Ihre großen dunklen Augen musterten mich verstohlen, wie um festzustellen, ob ich wohl für einen Flirt empfänglich wäre, und ich stellte mir ernsthaft die gleiche Frage. Aber heute abend blieb ich kalt und traurig: genau der griesgrämige Brummbär, um den leichte Mädchen, die was von ihrem Geschäft verstehen, einen großen Bogen machen.
Tullia kannte sich aus. Als sie davontrippeln wollte, packte ich sie am Handgelenk.
»Geh nicht! Bleib hier und leiste mir Gesellschaft!« Sie lachte gekünstelt und versuchte geschickt, sich loszumachen. »Setz dich zu mir, meine Süße …« Sie sah mich aufmerksamer an, wollte feststellen, wie betrunken ich sei, und merkte verdutzt, daß ich stocknüchtern war.
»’n Abend, Tullia!« Erschrocken glitt ihr Blick zur Tür. »Ich habe was verloren, Tullia. Hat bei euch jemand einen Ring mit einem großen grünen Stein abgegeben?« Jetzt wußte sie, woher sie mich kannte – und konnte sich
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