Bronzeschatten
gähnenden Fackelträgern, durch finstere Gassen den Heimweg an. Hin und wieder huschte ein einsamer Spaziergänger durch die Schatten, bemüht, nicht aufzufallen und nur ja keine Diebe anzulocken. Wo Laternen draußen an den Loggien hingen, brannten sie jetzt langsam aus – oder wurden absichtlich von Einbrechern gelöscht, die nachher im Schutz der Dunkelheit mit ihrer Beute entkommen wollten.
Wahrscheinlich ließ der Oberspion auch meine Wohnung beobachten, deshalb ging ich zu meiner Schwester Maia. Sie war eine bessere Hausfrau als die übrigen und außerdem nachsichtiger mit mir. Trotzdem war es ein Fehler, bei ihr Unterschlupf zu suchen, denn sie empfing mich gleich mit der Nachricht, daß Famia gerade heute den Jockei zum Essen mitgebracht habe, der am Donnerstag beim Rennen mein Pferd reiten solle.
»Bei uns gab’s heute Kalbshirn. Es ist noch was da, wenn du Appetit hast«, sagte Maia. Schon wieder Innereien! Maia kannte mich lange genug, um zu wissen, was ich davon hielt. »Meine Güte, Marcus, du bist ja schlimmer als die Kinder! Nun reiß dich zusammen und mach endlich mal ein fröhliches Gesicht!«
Ich gab mir redlich Mühe und war bald ebenso lustig wie Prometheus an seinem Felsen, wenn er auf den täglichen Raben wartet, der ihm ein Stück von seiner Leber wegfrißt.
Der Jockei hatte sich bisher nichts zuschulden kommen lassen, aber das besagte nicht viel. Er war eine Zecke. Und mich hielt er für sein neues Schaf. Doch ich war’s gewohnt, Parasiten abzuwimmeln. Er würde sich noch wundern.
Sein Name fällt mir nicht mehr ein. Ich habe ihn absichtlich vergessen. Alles, was ich noch weiß, ist, daß er und Famia mir viel zuviel Geld aus der Tasche ziehen wollten. Dabei hätte von Rechts wegen der Jockei mich bezahlen sollen, schließlich gab ich ihm die Chance, sich im vornehmsten Stadion der Stadt, mit Titus Cäsar in der Ehrenloge, das Herz aus dem Leibe zu reiten. Er war winzig, hatte ein zerfurchtes, brutales Gesicht, trank zuviel, und nach der Art zu schließen, wie er meine Schwester ansah, bildete er sich ein, die Frauen müßten ihm zu Füßen liegen.
Maia beachtete ihn gar nicht. Eins muß man meiner jüngsten Schwester lassen: Anders als die meisten Frauen, die einmal im Leben einen furchtbaren Fehler begangen haben, stand sie wenigstens dazu. Nachdem sie Famia einmal geheiratet hatte, verspürte sie nie das Bedürfnis, ihre Probleme noch durch Affären zu vermehren.
Der Jockei hatte gerade erst angefangen, Famia und mich unter den Tisch zu trinken, als ich mich unsterblich blamierte. Man hatte mich losgeschickt, eine neue Amphore zu holen, aber ich schaute heimlich bei den Kindern rein. Sie hätten schon im Bett sein sollen, doch ich fand sie noch lebhaft in ihr Spiel vertieft. Maia erzog ihre Kinder zu erstaunlich gutartigen Geschöpfen; sie merkten an meinem geröteten Gesicht, was mit mir los war, und so bezogen sie mich erst ein Weilchen in ihr Spiel mit ein, dann erzählte eins mir eine Geschichte, bis ich einnickte, worauf sie auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlichen. Ich könnte schwören, daß Maias älteste Tochter flüsterte: »Der ist versorgt! Sieht er nicht süß aus, wenn er schläft …«
Ich hatte eigentlich vorgehabt, nur so lange bei Maia zu bleiben, bis etwaige Spione vor meinem Haus sich verzogen hätten. Dann wollte ich zur Falco-Residenz zurückschleichen. Ob sich dadurch etwas geändert hätte, werde ich nie erfahren. Aber es besteht immerhin die winzige Chance, daß, wäre ich in jener Nacht heimgegangen, statt bei meiner Schwester zu schlafen, ein Leben hätte gerettet werden können.
LXXXIII
August.
Schwüle Nächte und heißes Blut. Nach wenigen Stunden war ich schon wieder wach und fühlte mich so zerschlagen und elend, daß ich lange nicht mehr einschlafen konnte. Keine gute Jahreszeit für Männer mit unlösbaren Problemen und Frauen mit einer schwierigen Schwangerschaft. Ich dachte an Helena. Ob sie wohl auch in dieser stickigen Hitze wach lag und an mich dachte?
Am nächsten Morgen erwachte ich erst spät. Maia führte ein ruhiges Haus.
Mich die ganze Nacht in den Kleidern herumzuwälzen machte mir nichts aus. Aber die ausgebleichte Tunika von gestern konnte ich nicht mehr sehen. Das Verlangen, diesen faden Fetzen Grau auszutauschen, wurde mir fast zur fixen Idee.
Da ich nicht riskieren durfte, in meiner Wohnung Anacrites’ Spürhunden in die Arme zu laufen, überredete ich meine Schwester, für mich hinzugehen.
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