Bronzeschatten
Safran!«
Er grinste. Er hatte eine vollkommen gerade Nase, die im unkleidsamen Winkel von dreißig Grad an seinem Gesicht pappte. Links hatte er die hochgezogene Braue eines munteren Spaßmachers und rechts den hängenden Mundwinkel eines traurigen Clowns. Jede Gesichtshälfte für sich war ganz ansehnlich; nur bei der Zusammensetzung haperte es.
Wir bestellten beide die Suppe – mit . Das Leben ist kurz genug. Da kann man ruhig mal kräftig hinlangen und stilvoll sterben.
Ich zahlte eine Flasche Wein, mein Freund bestellte die Beilagen: einen Laib Brot, eine Schale Oliven, hartgekochte Eier, Kopfsalat, Breitling, Sonnenblumenkerne, Essiggurken, Wurstaufschnitt und so weiter. Nach ein paar Appetithäppchen machten wir uns miteinander bekannt.
»Laesus.«
»Falco.«
»Kapitän der Skorpion , Heimathafen Tarentum. Früher bin ich die Alexandria-Route gefahren, aber inzwischen fahre ich lieber kürzere und weniger stürmische Strecken. Ich will hier in Kroton jemanden treffen.«
»Ich stamme aus Rom. Bin gerade angekommen.«
»Und was führt Sie nach Bruttium?«
»Was das auch gewesen sein mag, es war offenbar ein arger Fehler!«
Wir prosteten einander zu. »Sie haben noch gar nicht verraten, wovon Sie leben, Falco.«
»Stimmt.« Ich brach einen Kanten von dem Brotlaib herunter und konzentrierte mich dann darauf, einen Olivenkern blank zu nagen. »Das hab ich nicht getan!«
Ich spuckte den Kern aus. Ich war nicht so unhöflich, vor einem Mann, dem ich mein Leben verdankte, Geheimnisse zu haben; Laesus wußte, daß ich nur Spaß machte. Wir taten so, als sei das Thema abgehakt.
Das Wirtshaus, in dem wir gelandet waren, hatte für die Uhrzeit erstaunlich viele Gäste. In Lokalen am Strand war das oft so, denn deren Stammgäste, die Seeleute, haben kein Zeitgefühl. Ein paar Gäste standen drinnen an der Theke, doch die meisten drängten sich auf den Bänken im Freien und warteten wie wir geduldig aufs Essen.
Ich erzählte Laesus, daß es in den Tavernen am Kai ganz genauso ist; man sitzt stundenlang geduldig da und bildet sich ein, in der Küche würde aus einer fangfrischen Seebarbe ein köstliches Filet extra zubereitet. Dabei ist der Koch ein fauler Esel, der sich dünngemacht hat, um etwas für seinen Schwager zu erledigen; auf dem Rückweg zankt er sich mit einem Mädchen, dem er Geld schuldet, dann schaut er sich einen Hundekampf an und läßt sich endlich in einem Konkurrenzlokal auf ein zünftiges Spiel mit ein paar Soldaten ein. Spätnachmittags kommt er dann schlechtgelaunt zurück, wärmt im alten Fett einen schon leicht angegammelten Fisch auf und wirft eine Handvoll Muscheln dazu, die zu säubern er sich nicht die Mühe macht. Eine Stunde später gibt man sein Essen im Hafen wieder von sich, weil man viel zuviel Wein getrunken hat, während man auf den Koch wartete …
»Ein Essen vom Kai behält man nie lange genug bei sich, um sich zu vergiften!«
Er lächelte bloß. Seeleute sind daran gewöhnt, sich die Hirngespinste der Landratten anzuhören.
Unsere Fischsuppe kam. Sie war gut – hafenmäßig und herzhaft. Ich hatte es gerade geschafft, sie so zu löffeln, daß ich mit der Zunge die Krebssplitter aussortieren konnte, als Laesus hinterhältig meinte: »Da Sie sich offenbar genieren, es mir zu sagen, will ich mal raten … Sie sehen aus wie ein Spitzel.«
Ich war gekränkt. »Ich dachte, ich sehe aus wie ein Priester!«
»Falco, Sie sehen aus wie ein Spitzel, der sich als Priester verkleidet hat!«
Ich seufzte, und wir tranken noch ein Glas Wein.
Mein neuer Freund Laesus war ein sonderbarer Kauz. An einem Ort, wo ich keinen Grund hatte, irgend jemandem zu vertrauen, wirkte er absolut zuverlässig. Er hatte schwarze Knopfaugen wie ein Rotkehlchen. Seine Seemannsmütze behielt er immer auf; das heißt, eigentlich war es eher ein Hut, der mit seiner runden Filzkrone und der glockigen Krempe aussah wie ein umgestülpter Wiesenchampignon.
Die Gäste verschwanden allmählich. Wir blieben mit zwei alten Matrosen und ein paar Reisenden übrig, die sich wie ich in diesen verträumten Hafen geflüchtet hatten. Und dann war da noch ein Trio junger Damen namens Gaia, Ipsyphille und Meröe, drei blasse Persönlichkeiten mit geschürzten Röcken, die dauernd zwischen den Tischen auf und ab trippelten. In Ermangelung frischer Trauben oder gerösteter Kastanien konnte man diese saftigen Früchte im Oberstock als Nachtisch probieren.
Gaia war auffallend hübsch.
»Möchten Sie mal Ihr Glück
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