Bronzeschatten
aber nicht sehr fromm vor!«
Ich hatte Laesus’ Rat beherzigt und mich nach dem Bad in eine alte dunkelblaue Tunika gewickelt. Mit meinen Filzlatschen zusammen ergab diese indigofarbene Katastrophe ein bequemes Kostüm für einen gemütlichen Leseabend daheim. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein schlampiger Philosophiestudent, der sich an einer Sammlung schlüpfriger Legenden berauscht. Tatsächlich befaßte ich mich mit Cäsars Schrift über die Kelten, und jede Unterbrechung war eine Wohltat für meine geplagten Gedärme, denn der stolze Julius fing an, mir auf den Geist zu gehen; schreiben konnte er, keine Frage, aber sein Dünkel machten das Mißtrauen meiner Altvorderen seiner eigenmächtigen Politik gegenüber nur zu verständlich.
Ich hatte nicht den Eindruck, daß meine Besucher eine Diskussion über die Politik des Julius Caesar anstrebten.
»Wer ist denn der Priester, den ihr sucht?« fragte ich vorsichtig.
»Irgend so’n blöder Ausländer.« Der Muskelprotz zuckte die Achseln. »Hat auf dem Marktplatz einen Riesentumult angezettelt.« Sein kleiner Freund kicherte.
»Davon habe ich gehört. Hat’n unanständiges Wort für Lakritz benutzt, der Kerl. Kann ich mir gar nicht vorstellen. Lakritz ist doch ein griechisches Wort.«
»Sehr leichtsinnig«, nörgelte das Kraftpaket. Aus seinem Munde klang das, als sei der nachlässige Umgang mit Sprache ein todeswürdiges Verbrechen. »Was wollen Sie von Gordianus?«
»Was geht euch das an?«
»Ich bin Milo«, erklärte er mir stolzgeschwellt. »Sein Verwalter.«
Milo stand auf. Ich kam zu dem Schluß, daß Gordianus etwas zu verbergen habe: Sein Hausverwalter war gebaut wie der Türsteher eines äußerst zwielichtigen Spielkasinos.
Kroton ist berühmt für seine Athleten, und der berühmteste von allen hieß Milo. Gordianus’ Verwalter hätte leicht Modell stehen können für jene Andenkenfiguren, denen ich auf dem Markt widerstanden hatte. Als Kroton seinerzeit Sybaris einnahm (den ursprünglichen Sündenpfuhl in der Tarentinischen Bucht), hatte jener Milo den Sieg gefeiert, indem er mit einem Bullen über der Schulter durchs Stadion sprintete, das Tier anschließend mit einem einzigen Fausthieb tötete und dann roh zu Mittag verspeiste …
»Gehen wir rein«, sagte dieser Milo zu mir und sah mich dabei an, als hätte er durchaus Appetit auf einen halben Zentner rohe Lende.
Ich lächelte wie ein Mann, der so tut, als hätte er die Situation im Griff, und ließ mich von ihm abführen.
XVI
Milo befahl seinem Gartenzwerg, draußen Wache zu schieben.
Wir zwängten uns in die mir zugewiesene Zelle; ich für mein Teil hätte mich bestimmt mehr amüsiert bei einem ausschweifenden Nachtbummel am Arm einer langfingrigen, schnurrbärtigen Tänzerin. Was hier mit mir geschehen würde, daran bestand kein Zweifel; die Frage war nur, wann.
Es war ein Dreibettzimmer, aber nur wenige Touristen fanden einen Sommerurlaub in Kroton verlockend, und daher hatte ich das Zimmer für mich allein. So konnte wenigstens kein Unbeteiligter etwas abbekommen. Milo füllte fast den gesamten Raum aus. Ich empfand diesen Milo als eine Art Schicksalsprüfung. Er war groß und stark. Er wußte, daß er groß und stark war. Er verbrachte die meiste Zeit damit, sich im Gefühl seiner Größe und Stärke zu sonnen, indem er normale Menschen in kleinen Räumen an die Wand drängte. Seine dick eingeölten Muskeln glänzten im Schein meines Binsenlichts. Aus der Nähe roch er merkwürdig fad und antiseptisch.
Mit dem mühelosen Druck zweier gewaltiger Daumen, die mir offenbar gern weit heftigeren Schmerz zugefügt hätten, drückte er mich auf einen dreibeinigen Schemel. Um mir Sorgen zu machen, warf er all meine Sachen durcheinander.
»Gehört das dir?« fragte er und fingerte an meinem Gallischen Krieg herum.
»Naja, ich kann lesen.«
»Wo hast du das geklaut?«
»Hab ’nen Auktionator in der Familie. Da kann ich mir in den Secondhandläden in Rom das Beste rausfischen …«
Bekümmert beobachtete ich sein Treiben. Der Band schien seinerzeit ein echtes Schnäppchen, auch wenn ich ihn würde zurückverkaufen müssen, um die nächste Rolle der Ausgabe zu erstehen. Die hier hatte fehlerlose Ecken, gutes, mit Zedernöl versiegeltes Papier, und ein Knauf am Rollstab zeigte sogar noch Spuren von Vergoldung. (Die andere Rolle hatte beim Kauf gefehlt, aber ich hatte mir einen Ersatz geschnitzt.)
»Cäsar!« stellte Milo beifällig fest.
Ich pries mich glücklich, daß ich gerade
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