Bronzeschatten
hätte dieser Larius einen guten Ermittler abgegeben; er konnte stur weiterfragen, bis derjenige, den er verhörte, ihm am liebsten eine aufs Maul gegeben hätte. (Außerdem hielten seine Quadratlatschen die Straße nach Oplontis besser aus als meine Füße; ich hatte schon jetzt einen wundgelaufenen Zeh.)
Unerbittlich nahm er mich weiter in die Mangel. »Wozu brauchst du denn eigentlich Geld?«
»Für frisches Fleisch, Tuniken, die ordentlich sitzen, alle Bücher, die ich kriegen kann, ein neues Bett mit vier gleich langen Beinen, einen lebenslangen Vorrat an Salerner, den ich mit Petro picheln kann …«
»Eine Frau?« unterbrach er meinen unbeschwerten Redefluß.
»Oh, das glaube ich kaum. Wir reden doch von Freiheit, oder?«
Ein leicht vorwurfsvolles Schweigen folgte. Dann fragte Larius leise: »Onkel Marcus, glaubst du nicht an die Liebe?«
»Nicht mehr, nein.«
»Aber man erzählt sich, daß es dich vor kurzem erst so richtig erwischt hätte …«
»Besagte Dame hat mich verlassen. Wegen meiner desolaten Finanzlage.«
»Oh«, stammelte er.
»Allerdings: Oh!«
»Wie war sie denn so?« Es klang gar nicht anzüglich; nein, er schien ehrlich neugierig.
»Wunderbar. Erinnere mich bloß nicht dran. Im Augenblick«, sinnierte ich und kam mir plötzlich mit meinen dreißig Jahren uralt vor, »wünsche ich mir nichts weiter als eine große Kupferschüssel mit dampfend heißem Wasser, für meine wehen Füße!«
Wir trotteten weiter.
Aber Larius konnte es nicht lassen. »War diese Dame –«
»Larius, ich würde gerne damit prahlen, daß ich für sie meine Stiefel ausziehen und hundert Meilen weit barfuß über einen Schlackenpfad marschieren würde. Aber ehrlich gesagt vergehen mir die romantischen Gefühle, wenn ich ’ne Mordsblase am Zeh habe!«
Der Junge ließ sich nicht beirren. »Hat sie dir viel bedeutet?«
»Nicht sehr viel«, sagte ich. (Aus Prinzip.)
»Dann war sie also nicht«, bohrte Larius weiter, » ›die, deren Leben das deine mit süßer Bestimmung erfüllt‹ …? Catull«, setzte er hinzu, für den Fall, daß ich das vielleicht nicht wußte. (Das hätte er sich sparen können; ich war auch mal vierzehn gewesen und voll bis an die Kiemen mit Träumen von Verführung und melancholischer Poesie.)
»Nein«, sagte ich. »Aber sie hätte diejenige sein können – und damit du’s weißt, das ist ein Original Falco!«
Larius murmelte leise, daß es ihm leid täte wegen meines aufgescheuerten Zehs.
XXVIII
Als wir uns dem Gasthof in Oplontis näherten, sah ich zwei Gestalten am dunklen Strand herumschleichen.
Ich sagte Larius nichts und brachte ihn im Schatten der Mauern direkt zu den Stallungen. Hier stießen wir auf Petro, der gerade den Ochsen versorgte. Der arme Nero schlief schon fast auf seinen plumpen Hufen; nachdem er den halben Tag mein Blei geschleppt hatte, war er sogar zu müde, um sich zum Futtertrog runterzubeugen. Und so stopfte ihm denn Petronius Longus, der stahlharte Hauptmann der Aventinischen Wache, liebevoll murmelnd das Heu büschelweise ins Maul.
»Komm, mein Guter, nur noch ein bißchen …«, hörten wir ihn schmeicheln, als würde er einem weinerlichen Kind seine Suppe hineinlöffeln. Larius kicherte; doch Petro genierte sich nicht. »Ich will ihn schließlich in guter Verfassung nach Hause bringen!«
Ich erklärte meinem Neffen, daß Petronius und sein Bruder (ein nimmermüder Unternehmertyp) mit drei weiteren Verwandten ein Syndikat gegründet hatten, nur um diesen Ochsen zu kaufen. Es gab jedesmal böses Blut, wenn Petro auf dem Hof seines Vetters draußen auf dem Land erschien, um seine Geldanlage auszuborgen.
»Aber wie soll Nero denn mal aufgeteilt werden?« fragte Larius.
»Oh, die vier anderen sagen, ihnen gehöre je ein Bein, und ich bekomme die Eier«, antwortete Petro mit ernster Miene; der Naivling aus der Großstadt. Er stopfte noch eine letzte Garbe Heu nach und gab es dann auf.
Larius, der gewitzt war, aber noch nicht gewitzt genug, kauerte sich hin, um nachzusehen, sprang empört wieder auf und rief: »Das ist ja ein Ochse! Der ist kastriert, der hat gar keine …«
Ein Blick auf unsere Gesichter ließ ihn verstummen; der Groschen war gefallen.
»Hör mal, Petro«, sagte ich. »Das Tier ist doch mindestens vier Jahre alt. Welcher Wahnsinnige hat ihn denn Nero getauft, während der Kaiser noch am Leben war?«
»Ich« , antwortete Petronius, »aber erst letzte Woche, als ich ihn abgeholt habe. Die anderen nennen ihn Schandfleck. Abgesehen
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