Bronzeschatten
küßte sie und ließ sie behutsam wieder los. Ein Armband aus tropfenförmigen Fayenceperlen klimperte ganz sacht an ihrem Handgelenk. Sonst nichts. Kein Silberreif.
Das war’s also.
Zärtlich hielt ich meine zehn Löffel fest, obwohl ich mir dabei vorkam wie das Spielzeug einer reichen Dame, das man eben ausbezahlt hat. Ich gab mir keine Mühe, mein Gesicht zu beherrschen. Hätte ich aber tun sollen. Denn wie ich so dasaß und gekränkt vor mich hin schwieg, sah die Tochter des Senators mich an. Und sie erkannte auf den ersten Blick, wie ich ihr Geschenk deutete.
Ich hatte mich geirrt.
Der berühmte Moment, auf den es ankommt. Zwei Sekunden, und eine Beziehung ist rettungslos zerstört.
Eine dumme, falsche Reaktion, und das ganze Leben ist hin.
XLI
In den nächsten paar Minuten sah ich mehr Türen sich schließen, als ich je auch nur einen Spaltbreit offen gewähnt hatte.
»Nur zwei Dinge, Falco.« Ihre ausdruckslose Stimme bestätigte mir, daß die Bereitschaft, mit mir zusammenzuarbeiten, zu einer unangenehmen Staatsbürgerpflicht geschrumpft war. »Erstens, mein Schwiegervater war in Nola, weil Aufidius Crispus ihn eingeladen hatte, bei den Spielen sein Ehrengast zu sein. Crispus spielte den Gastgeber im großen Stil; er hat die Spiele finanziert.«
»Und hat sich der Besuch gelohnt?« fragte ich vorsichtig.
»Nun, es gab Athleten zu sehen, Wagenrennen, dreißig Paar Gladiatoren, einen Stierkampf …«
»Dann kann ich Crispus also in Nola finden?«
»Nein. Die Veranstaltung dauerte nur einen Tag.«
»Ah! Hat er immer soviel Gemeinsinn, oder kandidiert er gerade für den Magistrat?«
»Weder noch.«
»Aber er hat doch Anhänger werben wollen, oder?«
Informationen aus Helena herauszukitzeln war mir noch nie so schwer gefallen. Zum Glück machte die Chance, mich in meine Schranken zu verweisen, sie jetzt gesprächiger: »Aber das liegt doch auf der Hand, Falco. Wir sind hier in der Campania, und zwar zur Hauptferienzeit. Eine günstigere Gelegenheit, mit einflußreichen Römern ganz privat und zwanglos ins Gespräch zu kommen, kann ein ehrgeiziger junger Mann doch gar nicht finden. Im Laufe des Sommers wird der halbe Senat hier herunterkommen …«
»Und Crispus kann Empfänge geben, Fäden ziehen, manipulieren – alles, ohne Verdacht zu erregen! Wenn er dagegen in Rom anfinge, in großem Stil Gesellschaften zu veranstalten, würde bald das halbe Forum Wetten darauf abschließen, was er vorhat …«
»Genau.«
»Hier dagegen hält man ihn bloß für einen freigebigen und geselligen Burschen, der seine Ferien nach allen Regeln der Kunst genießt.« Diesmal nickte sie nur. »Das erklärt immerhin, warum Crispus sich nicht mit dem neuen Kaiser anfreunden will; der Mann hat selber Ambitionen auf den Purpur. Und Vespasian ist vielleicht nicht der einzige in Rom, der damit nicht einverstanden wäre …«
»Ach, wenn ich das nur glauben könnte …« Helena Justina vergaß ihre Zurückhaltung und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. » Warum haben die Leute bloß so wenig Vertrauen zu den Flaviern?«
»Vespasian und Titus machen Rom alle Ehre. Es gibt keine Skandale mehr – und damit natürlich auch weniger Spaß.«
»Sei doch nicht albern!« fuhr sie mich an. »Der erste anständige Kaiser in einem ganzen Menschenalter! Aber seine Neider werden Vespasian aus dem Amt drängen, nicht wahr? Noch bevor er richtig losgelegt hat, bevor er die Chance bekommt zu beweisen, was wirklich in ihm steckt …«
»Halt, nicht so voreilig.« Von Natur aus war Helena optimistisch und eine Kämpfernatur; ich legte meine Hand auf die ihre. »Das sieht dir gar nicht ähnlich!«
Sie machte sich los. »Aufidius Crispus ist mächtig und skrupellos. Außerdem hat er zu viele Freunde in einflußreichen Positionen. Falco, tu was!«
»Ich kann ihn ja noch nicht mal finden!«
»Weil du dir nicht genug Mühe gibst!«
»Danke für das Kompliment!«
»Dein Selbstvertrauen braucht keine Aufmunterung. Du hast sowieso schon eine ziemlich hohe Meinung von dir!«
»Nochmals danke!«
»Mal ehrlich – was hast du denn bisher erreicht bei deiner Jagd nach Crispus? Du trödelst als Rohrverkäufer in der Gegend herum – und gefällst dir in der Rolle des findigen Unternehmers! Wahrscheinlich hast du mit allen Wirtinnen am Weg angebandelt …«
»Ein Mann braucht auch ein bißchen Spaß am Leben.«
»Ach, halt den Mund, Falco! Hör zu, du mußt herausbekommen, was Crispus im Schilde führt, und es
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