Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Mal. »Aha!« brummte er, ohne irgendwas zu kapieren; immerhin schwante ihm, daß einer dahinterstecken könne.
    »Roscius, mein Freund, könnten Sie dieses Papier wohl einem Magistrat zuspielen? Wenn es einen gibt, der Aemilius Rufus heißt, nehmen Sie am besten den.« Helenas Rat zu befolgen ging mir zwar immer noch gegen den Strich, aber wer immer den Wärter verpflegte, hatte ihm kaltes Fleisch eingepackt, das an den Rändern schon unangenehm grün schillerte. Unsere eigene Familie war zu weit fort, als daß sie uns hätte versorgen können, und mir blieben noch etwa drei Stunden, bevor der knurrende Magen meines Neffen sich sehr unerquicklich auf seine Gemütsverfassung auswirken würde.
    Roscius schickte den Paß an Helenas Freund. Anschließend ließ er seine Weinflasche kreisen, und wir tranken uns in aller Ruhe einen leichten Rausch an.
    Als der friedliche Nachmittag zur Neige ging, erschienen zwei Sklaven mit dem Bescheid, einer von uns Knastbrüdern müsse im Loch bleiben, aber der andere dürfe mitkommen. Ich setzte Larius auseinander, daß er die Geisel machen müsse, da Rufus der Freund einer Freundin von mir sei.
    »Beeil dich gefälligst!« knurrte Gallas Augapfel. »Ich könnte eine Portion Baiaeaner Bohnen mitsamt Schüssel verdrücken!«
    Das Haus von Aemilius Rufus war eher bescheiden, aber wahrscheinlich besaß er anderswo noch ein paar architektonische Meisterwerke zum Vorzeigen. In dieser Bleibe jedenfalls herrschte die Atmosphäre eines unbesuchten Museums. Vor Wandfriesen mit Schlachtszenen waren schwere, pompöse Möbel gruppiert, auf die ich mich nie zu setzen gewagt hätte, aus Angst, etwas zu verrücken. Diesem Mausoleum fehlten Kinderlachen, Haustiere, das Plätschern eines Brunnens und lebendige Pflanzen.
    Der Magistrat empfing mich auf einer Sonnenterrasse, die immerhin so schlampig und unaufgeräumt wirkte, wie man das gemeinhin von Sonnenterrassen gewohnt ist. Die Herrschaften, die hier saßen, hatten höflich gedämpfte Konversation getrieben, doch als ich in den Sonnenschein trat, nutzten sie diesen Vorwand und verstummten. Nach der Anstrengung, den ganzen Tag lang im Gericht die Augen offenzuhalten, entspannte Rufus sich jetzt lang ausgestreckt mit einem Pokal vor der Brust: ein vielversprechendes Zeichen.
    Er hatte eine magere Aristokratin bei sich, die seine Schwester sein mußte, und noch eine junge Dame. Die drei waren um einen Korbtisch gruppiert, auf dem die unvermeidliche Gebäckschale stand. Die Schwester des Magistrats griff hin und wieder geziert nach einer Leckerei, während ihr Gast herzhaft zulangte. Es war Helena Justina. Ich betrachtete es als außerordentliche Ehre, daß mein Erscheinen ihr den Appetit verschlug.
    Unvermeidlich: Kaum hat man sich für immer Lebewohl gesagt, stolpert man über die Dame, wo man geht und steht. Die meine saß also jetzt auf einer Sonnenterrasse in Herculaneum, leckte sich Mandelpastete von den Fingern und hatte einen so aufreizenden Honigklecks am Kinn, daß ich ihn mit Wonne abgeschleckt hätte.
    Sie war in Weiß, wie ich sie am liebsten sah, und verhielt sich sehr still, was mir weniger lieb war. Sie behandelte mich wie Luft, aber ich dachte nicht daran, mich dadurch demoralisieren zu lassen.
     
    Der erlauchte Sextus Aemilius Rufus Clemens, Sohn des Sextus, Enkel des Gaius aus dem Stimmrechtsstamm der Falerner; Tribun, Ädil, Ehrenpriester der Augustalen und derzeit rangältester Praetor, lehnte sich über die Nackenstütze seines Diwans; ich erstarrte. Ich stand vor der gelungenen Kopie eines Apollo aus Praxiteles’ Werkstatt. Hätte ich ihn, entkleidet und mit entrücktem Blick, auf einen Sockel gestellt, Geminus hätte ihn auf der Stelle gekauft. Ein klassisches Gesicht; intelligent und selbstbewußt; ein fast übertrieben zarter Teint im exquisiten Kontrast zu ungewöhnlich dunkelbraunen Augen. Helena Justinas Freund sah so blendend aus, daß ich ihn am liebsten angespuckt hätte, um zu sehen, ob vielleicht irgendwas an diesem Kunstwerk nicht farbecht sei.
    Sein Aufstieg im öffentlichen Leben war kometenhaft schnell vonstatten gegangen. Ich schätzte ihn auf knapp über dreißig. In fünf Jahren würde er in einer der lukrativeren Provinzen eine Legion befehligen, und in zehn vielleicht Konsul sein. Da er mit seiner Schwester zusammenlebte, war er wohl Junggeselle, was seiner Beliebtheit bei den Wählern offenbar keinen Abbruch tat. Wahrscheinlich war er deshalb nicht verheiratet, weil die Auswahl zu groß war.
    Er nahm

Weitere Kostenlose Bücher