Brook, Meljean - Die Eiserne See
Leben. »Und wenn Ollivier uns verrät?«
»Dann dürfte Bigor wohl überrascht sein, zu was deine Frau alles fähig ist. Aber ihr solltet besser vermeiden, mit ihnen allein zu sein. Morgen früh sind wir über Brindisi.«
Wo ihre nächste Suche stattfinden würde. »Wir gehen allein hinunter«, sagte Archimedes.
In ihrer Kabine steckte Yasmeen sich einen der letzten Zigarillos an und ging auf und ab, während Archimedes sich auf die untere Koje legte. Nun schliefen sie in einem Bett. Das war in Ordnung. Das war gut. Verdammt, das war das Einzige, was gut war –
Schmerz zog ihr die Brust zusammen. Sie ging schneller, konnte ihm aber nicht davonlaufen. Sie krallte die Finger in ihr Haar, um sich zu beruhigen, doch nun stieg ihr der Schmerz in die Kehle und trieb ihr die Tränen in die Augen. Anstatt zitternd dort zu stehen, drückte sie den Zigarillo aus und glitt neben Archimedes, und er schlang seine Arme um sie, während sie leise an seinem Hals weinte.
Er küsste sie auf den Scheitel und hielt sie einfach nur, bis sie aufhörte. »Du möchtest sie heute Nacht töten.«
Sie wollte heute Nacht ihre Crew zurückhaben. Aber sie würde sich damit begnügen müssen, Kehlen herauszureißen und sich an Blut und Qualen zu ergötzen.
»Ja.« Sie drehte sich auf den Rücken, zündete den Zigarillo wieder an. Sie gab ihn an Archimedes weiter, als er auf den Ellbogen hochging. »Aber ich kann mich auch gedulden.«
Er sagte zwar keinen Ton, aber sie spürte sein Lachen an ihren Rippen.
Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Du bezweifelst das?«
»Ja.«
»Dann liegst du falsch.« Sie pflückte den Zigarillo aus seinem Mund. »Und du lässt dir ganz schön Zeit, den wieder zurückzugeben.«
Er grinste.
»Ich habe das gesagt, um dich zum Lachen zu bringen«, sagte sie. »Du hast nicht etwa die Oberhand über mich gewonnen.«
Sein Lächeln wurde zärtlich, und er strich ihr ein verirrtes Haar aus der Stirn. »Nein. Eindeutig hast du die Oberhand über mich gewonnen. Es ist jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, dir das zu sagen; keine Ahnung.«
»Mir was zu sagen?«
Er holte tief Luft. »Dass ich dich liebe.«
Oha! Ihre Lippen öffneten sich. Er zog ihr den Zigarillo zwischen den Zähnen hervor, beugte den Kopf vor. Sein Mund strich den ihren entlang, ganz sanft. Als sie sich reckte, um den Kuss zu vertiefen, wich er zurück.
Das war es schon? Und doch genügte es, war es vollkommen.
Lächelnd ließ sie den Kopf wieder auf das Kissen sinken. Trotz alledem fühlte sie sich jetzt beinahe wohl. Sie würde sich gedulden. Sie würde ihre Crew rächen.
Und sie würde auf das Herz von Archimedes Fox sehr, sehr gut achtgeben.
»Das ist ganz und gar nicht der falsche Zeitpunkt«, sagte sie.
Wieso war er noch nie nach Brindisi gefahren? Von den Zombies einmal abgesehen, war es eine nahezu vollkommene Stadt, voller Kirchen und Festungen und Schlösser mit dicken Mauern, die seit Jahrhunderten standen, ohne zu Ruinen zu zerfallen. Klares, türkisfarbenes Wasser füllte das Hafenbecken, und auf einer der Inseln – die frei von Zombies waren – stand ein gewaltiges rotes Gebäude, das in Olliviers Notizen nur »Seefestung« hieß.
Es war weit mehr als das – es war eine Schatzkammer voller Relikte, die es wert waren, geborgen zu werden. Archimedes nahm nur einige wenige Stücke mit zurück auf die Ceres ; gar nichts zu finden hätte Verdacht erregt, und ein ganzes Vermögen wäre das Signal für Bigor gewesen, ihn zu töten. Also brachte er einige kleine Ikonen mit und würde für das Altarbild später noch einmal zurückkehren, brachte einen ausgeblichenen Wandteppich mit und ließ eine Sonnenuhr in der Form einer Laute zurück.
Doch obwohl Hassan mit diesen wenigen Stücken vielleicht schon zufrieden gewesen wäre, wusste Archimedes, dass er es dabei nicht belassen durfte. Sie hatten Brindisi mit Bigor durchgesprochen, bevor sie von seiner Verbindung zu Mattson erfahren hatten, also wusste der Seesoldat nur zu gut, dass es in der Hafenstadt mehrere Gebäude gab, die es zu erkunden galt. Yasmeen und er wühlten sich pflichtgetreu durch eine Kirche, und er fand das Diptychon eines Erzengels und der Jungfrau Maria sowie eine vergoldete Schale aus Blei.
Wäre sie aus massivem Gold gewesen, hätte er sie zurückgelassen.
In dieser Stadt hätte er problemlos Wochen verbringen können, doch er beschränkte sich auf zwei Tage. Am ersten Tag blieben sie bis nach Mitternacht draußen und schliefen nach
Weitere Kostenlose Bücher