Brook, Meljean - Die Eiserne See
Erreger, die einen zum Zombie machten –, verzichtete Yasmeen darauf, den Unterschied zu erklären. Zenobia hatte nur gefragt, ob sie Yasmeen schnell und stark machten – und so war es ja.
»Ja«, sagte sie.
»Dann war Mattson wohl nicht infiziert.«
Oh, und ob er das gewesen war! Nach den Kneipenschlägereien waren seine Blessuren immer viel zu schnell abgeheilt. Aber Yasmeen nickte nur. »Er war langsamer.«
»Dann stammen Sie ursprünglich aus einem der besetzten Gebiete? Oder haben Sie später eine Bluttransfusion erhalten und sich infiziert?«
»Suchen Sie gerade nach so einem kleinen Bröckchen?«
»Für Ihren Hintergrund? Ja.«
»Sie haben doch bestimmt schon ein paar aufgepickt.«
»Ja, nur sagen sie mir wenig. Ihr Akzent zum Beispiel. Sie sind vielleicht in den besetzten Gebieten von Nordafrika oder weiter im Osten zur Welt gekommen. Vielleicht haben Sie einem der Stämme angehört, die zum südamerikanischen Kontinent geflohen sind, als die Horde über die arabische Halbinsel vorgedrungen ist.«
Nur ihr Akzent war bemerkenswert? Versuchte Zenobia, feinfühlig zu sein? Oder wollte sie vielleicht einfach nicht wie ihr verhasster Vater klingen? »Und meine Hautfarbe?«
»Sagt mir gar nichts. Allein in der Neuen Welt fällt mir keine Stadt ein, aus der Sie nicht stammen könnten. Wer hat denn keine indianischen oder afrikanischen Verwandten oder keine Mischung von beidem im Blut?«
Gesprochen wie eine echte Unterstützerin der Libéré. »Ihre Familie, wie Ihr Vater gern herausgestellt hat.«
»Ja, gut. Aber auch dann lässt sich die Herkunft noch nicht aus der Hautfarbe ablesen. Im Winter ist Wolfram so blass wie ich, aber als er einmal einen Sommer lang an der Goldküste getaucht ist, war seine Haut genauso dunkel wie die Ihre. Wie viele Ihrer Leute haben auch dunkle Haut? Und wie viele stammen aus der Neuen Welt?«
Die meisten. »Also könnte ich von überall her kommen. Ihnen stehen alle Möglichkeiten offen. Können Sie sich nicht eine Geschichte ausdenken, die Ihre Leser zufriedenstellt?«
»Selbstverständlich, nur befriedigt die meine eigene Neugierde nicht.« Sie stieß eine Atemwolke aus. »Erzählen Sie mir wenigstens, wo Sie so gut schießen gelernt haben. Konnten Sie das schon, bevor Sie in die Besatzung meines Vaters aufgenommen wurden? Natürlich, ihn haben Sie ja auch in den Kopf geschossen. Dann müssen Sie aus der Neuen Welt stammen – vielleicht von irgendwo im Grenzland oder aus den abgetrennten Gebieten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man einem jungen Mädchen irgendwo im Hordenreich das Schießen beibringt.«
»Nicht? Ich denke mir, dass man in den Mauerstädten Grund genug dazu hat. Falls es ein Zombie schafft, die Barriere zu überwinden, dürfte die Fähigkeit eines Mädchens, seinen Kopf zu treffen, die einzige Überlebenschance für dieses Mädchen sein – und für die Stadt.«
»Das ist wohl richtig. Aber ich wusste nicht, dass die Horde die Bewohner der besetzten Städte bewaffnet hat. In England jedenfalls nicht.«
»Tut sie auch nicht. Sollte sie aber.« Amüsiert über Zenobias zweiten Stoßseufzer lächelte Yasmeen und ließ eine Rauchfahne durch die Zähne austreten. »Ich finde, jede Frau sollte bewaffnet sein – Schriftstellerinnen in ruhigen kleinen Städten wie Fladstrand eingeschlossen.«
Zenobias Gesichtsfarbe wurde noch kräftiger. »Ich habe eine Waffe. Aber ich gehe nicht damit ins Bett.«
»Ich schon.« Sie bewahrte so viele Waffen in ihrem Bett auf, dass ihr Freund Scarsdale es einmal eine Orgie genannt hatte.
»Und ich bin überaus froh, dass Sie so gut vorbereitet gewesen sind. Ich will gern zugeben, dass ich schon am Verzweifeln war, als ich gedacht habe, Sie hätten nur ein Messer.«
»Ich habe nie nur ein Messer – aber es ist die einzige Waffe, mit der ich in ein Gespräch gehe. Eine Schusswaffe bedeutet, dass das Reden vorbei ist.«
»Oh! OH! Das muss ich Lady Lynx sagen lassen.« Ohne langsamer zu werden, zog Zenobia mit den Zähnen einen Handschuh aus und holte einen Zettel und einen Bleistift aus der Tasche. Sie notierte die Zeile im Gehen.
Auf so direktem Wege holte man sich Inspiration? Yasmeen ging langsamer, um der Frau das Aufschreiben zu erleichtern, und fragte sich, ob Zenobia sich bei Spaziergängen mit Archimedes auch oft so verhalten hatte … der charmant und witzig war und sehr der Figur ähnelte, die sie aus ihm gemacht hatte. Yasmeen war immer davon ausgegangen, dass diese Figur auch die Schwester
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