Brooklyn
sie verschlossen geblieben war.Die Leute auf der anderen Seite hatten offenbar gewusst, wie stürmisch die Nacht werden würde, und gewusst, dass sie das Bad die ganze Zeit brauchen würden. Das Würgen war von der anderen Seite in Abständen immer wieder zu hören, und nichts deutete darauf hin, dass die Tür zu ihrer Kajüte geöffnet werden würde.
Sie fühlte sich stark genug, um sich die Stelle anzusehen, wo sie sich erbrochen hatte. Nachdem sie Schuhe und einen Mantel über ihr Nachthemd angezogen hatte, ging sie hinaus auf den Gang und dann zur Nische auf der linken Seite, wo sie einen Mop und einen Schrubber und einen Eimer fand. Sie passte auf, wo sie hintrat, und achtete darauf, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Jetzt fragte sie sich, wie viele Dritte-Klasse-Passagiere gewusst hatten, dass diese Nacht so schlimm werden würde, und deswegen Speisesaal, Deck und Gänge gemieden und beschlossen hatten, sich in ihren Kabinen einzuschließen und dort zu bleiben, bis das Schlimmste vorüber sein würde. Sie wusste nicht, ob das häufig passierte, wenn ein Überseedampfer von Liverpool nach New York fuhr, aber sie erinnerte sich, dass Georgina gesagt hatte, das würde eine von diesen Nächten werden, und vermutete, es sei schlimmer als gewöhnlich. Jetzt waren sie wahrscheinlich nah der Südküste Irlands, aber sicher war sie sich nicht.
Sie kehrte mit einem Mop und einem Schrubber in die Kajüte zurück und hoffte, dass sich der Geruch beseitigen lassen würde, wenn sie etwas von dem Parfüm, das Rose ihr geschenkt hatte, auf die Stellen des Fußbodens und die Decken, auf die sie sich übergeben hatte, versprengte. Aber das Wischen mit dem Mop schien die Sache nur noch schlimmer zu machen, und der Schrubber nützte nichts. Sie beschloss, beides dorthin zurückzubringen, wo sie es gefunden hatte. Plötzlich, als sie die Sachen in die Nische stellte, wurde ihr wieder schlecht, und sie musste sich erneut im Gang erbrechen. Sie hatte kaum noch etwas zu erbrechen, nur saure Galle, die ihr einen Geschmack im Mund hinterließ, der sie zum Weinen brachte, während sie mit aller Kraft gegen die Türder Nachbarkabine hämmerte und mit dem Fuß dagegentrat. Aber niemand öffnete, während das Schiff erzitterte, sich mit einem Ruck vorwärtsbewegte und dann von neuem erbebte.
Sie hatte keine Ahnung, wie tief sie sich unter dem Meeresspiegel befand, wusste lediglich, dass ihre Kabine weit unten im Bauch des Schiffes war. Als sich ihr leerer Magen umzustülpen begann, begriff sie, dass sie später niemals imstande sein würde, jemandem zu schildern, wie übel ihr gewesen war. Sie rief sich das Bild ihrer Mutter ins Gedächtnis, wie sie winkend an der Tür stand, ihr Gesichtsausdruck angespannt und bekümmert, während das Auto sie und Rose zum Bahnhof fuhr, und ein letztes Lächeln zustande brachte, als das Auto in die Friary Hill einbog. Was jetzt gerade geschah, war etwas, was ihre Mutter, wie sie hoffte, sich auch im Traum niemals vorgestellt hatte. Wenn es etwas weniger schlimm gewesen wäre, nur ein Hin- und Herschaukeln, dann hätte sie sich vielleicht einreden können, es sei ein Traum, oder nicht von Dauer, aber jeder Augenblick war absolut real, durch und durch konkret und Teil ihres wirklichen Lebens, so wie der widerliche Geschmack in ihrem Mund und das Stampfen der Maschinen und die Hitze, die im Laufe der Nacht zuzunehmen schien. Und mit alldem einher ging das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, irgendwie selbst schuld daran zu sein, dass Georgina woandershin gegangen war und ihre Nachbarn die Badezimmertür abgeschlossen hatten und sie sich in der Kabine übergeben und es nicht geschafft hatte, die Schweinerei zu beseitigen.
Sie atmete jetzt durch die Nase, konzentrierte sich, bemüht, was immer sie noch im Magen hatte, bei sich zu behalten und wandte all ihre noch verbleibende Willenskraft auf, um die Leiter zur oberen Koje hinaufzuklettern. Sie stellte sich vor, das Schiff würde sich vorwärtsbewegen, obwohl das schuddernde Geräusch noch heftiger wurde, als der Dampfer auf eine Welle auftraf, die stärker als er zu sein schien. Eine Zeitlang stellte sie sich vor, sie selbst sei die See draußen und kämpfte mit aller Kraft gegen dasGewicht und die Masse des Dampfers an. Sie versank in einen leichten traumlosen Schlaf.
Aufgeweckt wurde sie von einer weichen Hand auf ihrer Stirn. Als sie die Augen öffnete, wusste sie genau, wo sie war.
»Ach, Sie armes Schätzchen«, sagte Georgina.
»Die haben
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