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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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werden es ein paar Stunden lang bürsten müssen, um es auch nur halbwegs in Fasson zu bringen.«
    Am nächsten Morgen begann Georgina, sobald sie den Transport ihres Schrankkoffers auf Deck organisiert hatte, sich zu schminken, während Eilis sich, nachdem sie mit dem Bürsten fertig war, das Haar noch glatter kämmen musste, damit es sich im Nacken knoten ließ.
    »Gucken Sie nicht zu unschuldig«, sagte Georgina. »Wenn ich Ihnen etwas Lidstrich auftrage und etwas Rouge und Wimperntusche, werden die sich nicht trauen, Sie anzuhalten. Ihr Koffer ist völlig unmöglich, aber da können wir nichts machen.«
    »Was stimmt damit nicht?«
    »Er ist zu irisch, und Iren werden immer angehalten.«
    »Wirklich?«
    »Schauen Sie nicht so ängstlich!«
    »Ich hab Hunger.«
    »Wir haben alle Hunger. Aber Schätzchen, Sie brauchen nicht hungrig auszusehen . Tun Sie so, als wären Sie satt.«
    »Und zu Hause schminke ich mich so gut wie nie.«
    »Nun, Sie sind dabei in das Land der Freien und Tapfren einzureisen. Und ich habe keine Ahnung, wie Sie diesen Stempel in diesem Pass bekommen haben. Der Priester muss jemand kennen. Das einzige, weswegen die Sie anhalten können, ist, wenn sie glauben, man hätte TB, also auf keinen Fall husten, oder wenn sie glauben, man hätte irgend so eine komische Augenkrankheit, ich komm jetzt nicht auf den Namen. Also halten Sie die Augen schön offen. Manchmal halten die einen auch gar nicht an, außer um sich die Papiere anzusehen.«
    Dann musste sich Eilis auf die untere Koje setzen und das Gesicht ins Licht drehen und die Augen schließen. Zwanzig Minuten lang bearbeitete Georgina sie langsam, trug eine dünne Schicht Make-up auf und dann etwas Rouge, dazu Lidstrich und Wimperntusche. Sie kämmte ihr das Haar zurück. Als sie fertig war, schickte sie Eilis mit einem Lippenstift ins Bad und schärfte ihr ein, ihn sehr behutsam aufzutragen und darauf zu achten, dass siesich nicht das ganze Gesicht vollschmierte. Als Eilis sich im Spiegel anschaute, war sie überrascht. Sie sah älter und, wie sie fand, fast attraktiv aus. Sie sagte sich, sie würde gern lernen, sich selbst richtig zu schminken, so wie Rose es konnte und Georgina auch. Es wäre viel einfacher, stellte sie sich vor, sich draußen unter Menschen, die sie nicht kannte, vielleicht Menschen, die sie nie wiedersehen würde, zu bewegen, wenn sie so aussehen könnte. Sie wäre dann einerseits weniger nervös, aber vielleicht andererseits noch nervöser, weil sie wusste, dass die Leute sie ansehen und sich vielleicht ein falsches Bild von ihr machen würden, wenn sie sich in Brooklyn jeden Tag so herausputzte.

Zweiter Teil

Eilis wachte während der Nacht auf, stieß die Decke auf den Fußboden und versuchte, lediglich mit dem Laken bedeckt wieder einzuschlafen, aber es war immer noch zu heiß. Sie war schweißgebadet. Das war, hatte man ihr gesagt, wahrscheinlich die letzte heiße Woche; bald würde die Temperatur fallen, und sie würde Decken brauchen, aber einstweilen würde es feucht und drückend bleiben, und die Menschen würden sich langsam und matt durch die Straßen schleppen.
    Ihr Zimmer ging nach hinten, und das Badezimmer war auf der anderen Seite des Gangs. Die Dielen knarrten, die Tür war aus ganz dünnem Material, und die Rohre machten so viel Lärm, dass sie hören konnte, wenn die anderen Mieterinnen nachts ins Bad gingen oder am Wochenende spät heimkamen. Es machte ihr nichts aus, aufgeweckt zu werden, solange es draußen noch dunkel war und sie sich wieder in ihrem Bett zusammenrollen konnte im Wissen, dass sie noch Zeit zu dösen hatte. Dann schaffte sie es, alle Gedanken an den bevorstehenden Tag aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Aber wenn sie bei Tageslicht aufwachte, wusste sie, dass ihr nur noch eine oder höchstens zwei Stunden blieben, bis der Wecker klingelte und der Tag begann.
    Mrs. Kehoe, der das Haus gehörte, war aus der Stadt Wexford und redete für ihr Leben gern über die Heimat, über Sonntagsausflüge nach Curracloe und Rosslare Strand oder über Hurling-Spiele, die Geschäfte auf der Main Street in Wexford oder über Personen, an die sie sich erinnerte. Eilis hatte anfangs geglaubt, Mrs. Kehoe sei Witwe, hatte nach Mr. Kehoe gefragt und woher erstammte, worauf Mrs. Kehoe ihr mit einem traurigen Lächeln mitgeteilt hatte, er komme aus Kilmore Quay, und dann nichts weiter gesagt hatte. Als Eilis das später Father Flood gegenüber erwähnt hatte, hatte er ihr erklärt, man solle möglichst nicht

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