Brooklyn
die Tür einfach nicht aufgemacht«, sagte Eilis. Sie versuchte, ihre Stimme möglichst schwach klingen zu lassen.
»Die Dreckskerle!« sagte Georgina. »Das machen die jedes Mal so, manche von ihnen: Wer als erster drin ist, schließt die Tür ab. Warten Sie, denen zeig ich’s.«
Eilis setzte sich auf und kletterte langsam die Leiter hinunter. Der Geruch nach Erbrochenem war entsetzlich. Georgina hatte aus ihrer Handtasche eine Nagelfeile herausgeholt und machte sich damit schon am Schloss der Badezimmertür zu schaffen. Sie bekam sie ohne besondere Schwierigkeiten auf. Eilis folgte ihr ins Bad, wo die Passagiere aus der anderen Kajüte ihre Waschsachen zurückgelassen hatten.
»So, jetzt müssen wir deren Tür blockieren, denn heute nacht wird es sogar noch schlimmer werden«, sagte Georgina.
Eilis sah, dass das Schloss ein einfacher Metallriegel war, der sich mit einer Nagelfeile leicht hochheben ließ.
»Es gibt nur eine Lösung«, sagte Georgina. »Wenn ich meinen Koffer da reinstelle, können wir die Tür nicht schließen und müssen uns quer auf die Kloschüssel setzen, aber die kommen da nicht mehr rein. Sie armer Schatz.«
Sie sah Eilis wieder mitleidig an. Sie war geschminkt und schien die schlimme Nacht unbeschadet überstanden zu haben.
»Was haben Sie zu Abend gegessen?« fragte Georgina, während sie sich daranmachte, den Koffer ins Bad zu schieben.
»Ich glaube, es war Hammel.«
»Und Erbsen, jede Menge Erbsen. Und wie fühlen Sie sich?«
»Ich hab mich noch nie so schrecklich gefühlt. Habe ich im Gang eine große Schweinerei hinterlassen?«
»Ja, aber das ganze Schiff ist ein einziger Schweinestall. Selbst die erste Klasse ist ein Schweinestall. Sie werden mit dem Putzen dort anfangen, und sie werden Stunden brauchen, um bis zu uns hinunterzukommen. Warum haben Sie nur so viel gegessen?«
»Ich wusste es doch nicht.«
»Haben Sie nicht gehört, wie sie davon gesprochen haben, als wir an Bord kamen? Es ist der schwerste Sturm seit Jahren. Es ist immer schlimm, besonders hier unten, aber diesmal war es entsetzlich. Trinken Sie einfach Wasser, sonst nichts, und ja nichts Festes. Ist ideal für die schlanke Linie.«
»Es tut mir leid wegen des Geruchs.«
»Die kommen schon noch und wischen alles auf. Wenn wir sie kommen hören, rücken wir den Koffer wieder weg, und sobald sie gehen, schieben wir ihn wieder zurück. Man hat mich in der ersten Klasse erwischt und verwarnt, ich soll hier unten bleiben, bis wir anlegen, oder man würde mich drüben verhaften. Sie haben also Gesellschaft, so leid’s mir tut. Und, Kindchen, wenn ich kotze, dann sehen Sie erst, was kotzen heißt. Und das wird noch ungefähr einen Tag lang unsere einzige Beschäftigung sein, kübeln, und zwar in rauhen Mengen. Und danach, habe ich gehört, kommen wir in ruhigere Gewässer.«
»Ich fühl mich entsetzlich«, sagte Eilis.
»Das nennt man Seekrankheit, Schätzchen, und davon wird man grün.«
»Seh ich schlimm aus?«
»O ja, genau wie alle anderen auf diesem Schiff.«
Während sie sprach, ertönte ein lautes Klopfen von der anderen Kabine. Georgina ging ins Bad.
»Ihr könnt mich mal!« schrie sie. »Hört ihr mich? Gut! Also, zieht Leine!«
Eilis stand barfuß im Nachthemd hinter ihr. Sie lachte.
»Jetzt muss ich aufs Klo«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
Später kamen sie mit Eimern voll Wasser und Desinfektionsmittel und wischten die Fußböden der Gänge und die Kabinen. Sie zogen die beschmutzten Laken und Decken ab und brachten neue und dazu frische Handtücher. Georgina, die nach ihnen Ausschau gehalten hatte, schob den Schrankkoffer zurück in die Kabine. Als die Nachbarinnen, zwei ältere amerikanische Damen, die Eilis jetzt zum erstenmal sah, sich bei den Putzleuten beschwerten, das Badezimmer sei abgesperrt gewesen, zuckten die Männer lediglich die Achseln und fuhren mit ihrer Arbeit fort. Sie waren noch keine Sekunde verschwunden, als Georgina und Eilis den Schrankkoffer wieder ins Bad wuchteten, bevor ihre Nachbarinnen die Tür von der anderen Seite blockieren konnten. Als sie sowohl gegen die Badezimmertür als auch an die Tür der Kabine hämmerten, lachten Eilis und Georgina.
»Sie haben ihre Chance verpasst. Das soll ihnen eine Lehre sein!« sagte Georgina.
Sie ging zum Speisesaal und kam mit zwei Krügen Wasser zurück.
»Es gibt nur einen einzigen Kellner«, sagte sie, »und so kann man sich nehmen, was man möchte. Das ist Ihre Ration für heute nacht. Nichts
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