Brooklyn
essen und viel trinken, das ist der ganze Trick. Da ist einem zwar weiterhin schlecht, aber es wird nicht ganz so schlimm.«
»Es fühlt sich so an, als würde das Schiff andauernd zurückgeschoben werden«, sagte Eilis.
»Hier unten fühlt es sich immer so an«, erwiderte Georgina. »Aber bewegen Sie sich möglichst wenig und vergeuden Sie keine Puste und kübeln Sie nach Herzenslust, wenn Ihnen danach ist, dann fühlen Sie sich morgen wie neugeboren.«
»Sie klingen so, als wären Sie schon Tausende von Malen auf diesem Schiff gewesen.«
»Bin ich auch«, sagte Georgina. »Ich fahr jedes Jahr heim, um meine Mama zu sehen. Es ist eine ziemliche Quälerei für eine Woche.Bis ich mich erholt habe, ist es wieder Zeit zurückzufahren. Aber ich sehe sie alle unheimlich gern. Wir werden schließlich nicht jünger, und da ist es nett, eine Woche gemeinsam zu verbringen.«
Nach einer weiteren Nacht, in der Eilis fortwährend Brechreiz hatte, war sie am Ende ihrer Kräfte; der Dampfer schien gegen die Wellen zu hämmern. Doch dann wurde die See ruhig. Georgina, die sich regelmäßig auf dem Gang die Beine vertrat, traf die zwei Frauen von der angrenzenden Kabine und kam mit ihnen überein, dass keine Seite die andere in Zukunft daran hindern würde, das Bad zu benutzen, sie sich vielmehr bemühen würden, es jetzt, wo das stürmische Wetter vorbei war, einträchtig miteinander zu teilen. Sie räumte ihren Koffer aus dem Bad und schärfte Eilis noch einmal ein, die gestanden hatte, Hunger zu haben, ja nichts zu essen, dafür viel Wasser zu trinken und sich zu bemühen, tagsüber nicht einzuschlafen, auch wenn die Versuchung groß war. Wenn es ihr gelinge, eine ganze Nacht durchzuschlafen, sagte Georgina, werde sie sich viel besser fühlen.
Eilis mochte sich nicht vorstellen, dass ihr noch vier weitere Nächte in diesem beengten Raum bevorstanden, mit abgestandener Luft und trübem Licht. Erst als sie ins Badezimmer ging, um sich zu waschen, erholte sich sich kurze Zeit von der mit entsetzlichem Hunger gemischten leichten Übelkeit, die sie noch immer verspürte, und der Platzangst, die immer heftiger zu werden schien, wenn Georgina sie in der Kajüte allein ließ.
Da sie zu Haus bei ihrer Mutter nur eine Badewanne hatten, hatte sie bis dahin noch niemals geduscht, und es dauerte eine Weile, bis sie herausfand, wie man die richtige Temperatur einstellte, ohne das Wasser ganz abzustellen. Während sie sich einseifte und Shampoo in das nasse Haar rieb, fragte sie sich, ob das gewärmtes Meerwasser sein konnte und, falls nicht, wie das Schiff es fertigbrachte, so viel Süßwasser mitzuführen. In Tanks, möglicherweise,dachte sie, oder vielleicht war es auch Regenwasser. Was immer es war, darunter zu stehen schenkte ihr das erste Gefühl von Behagen, seit das Schiff Liverpool verlassen hatte.
Am Abend vor der Ankunft gingen sie in den Speisesaal, und Georgina sagte ihr, sie sehe elend aus und sie sollte aufpassen, sonst würde man sie auf Ellis Island in Quarantäne nehmen oder sie zumindest einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterziehen. Wieder in der Kabine, zeigte Eilis Georgina ihren Reisepass und die übrigen Dokumente zum Beweis, dass sie keine Probleme damit haben würde, in die Vereinigten Staaten einzureisen. Sie sagte ihr, Father Flood würde sie abholen. Georgina zeigte sich überrascht darüber, dass sie nicht lediglich eine vorläufige, sondern eine unbefristete Arbeitserlaubnis hatte. Sie glaubte nicht, dass es heutzutage leicht sei, selbst mit Hilfe eines Priesters, noch so etwas zu bekommen. Sie forderte Eilis auf, ihren Koffer zu öffnen und ihr zu zeigen, was für Kleidung sie dabeihatte, damit sie ihr etwas Passendes für die Landung aussuchen und sich vergewissern konnte, dass nichts von dem, was sie tragen würde, zu zerknittert war.
»Nichts zu Ausgefallenes«, sagte sie. »Wir wollen nicht, dass Sie wie eine Nutte aussehen.«
Sie entschied sich für ein weißes Kleid mit rotem Blumenmuster, das Rose ihr geschenkt hatte, eine schlichte Strickjacke und einen einfarbigen Schal. Sie musterte die drei Paar Schuhe, die Eilis eingepackt hatte, und wählte die unauffälligsten aus, wobei sie betonte, dass die Schuhe geputzt werden müssten.
»Und tragen Sie Ihren Mantel über dem Arm, und geben Sie sich den Anschein, als ob Sie wüssten, wo Sie hinwollen, und waschen Sie sich nicht noch mal das Haar, von dem Wasser auf dem Schiff sieht es schon jetzt so aus wie eine Kugel aus Stahlwolle. Sie
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