Brooklyn
hinsetzte.
Im Lauf des Abends schliefen einige der Männer ein oder mussten zur Toilette begleitet werden. Die zwei Miss Murphys brühten kannenweise Tee, und es gab Weihnachtskuchen. Als die Gesangsdarbietungen zu Ende waren, holten ein paar der Männer ihren Mantel und bedankten sich dann bei Father Flood und den Miss Murphys und Eilis, bevor sie in der Nacht verschwanden.
Als die meisten Männer gegangen waren und mehrere, die noch da waren, sehr betrunken schienen, sagte Father Flood zu Eilis, sie könne jetzt gehen, wenn sie wolle, und er würde die Miss Murphys bitten, sie bis zu Mrs. Kehoes Haus zu begleiten. Eilis sagte nein, sie sei daran gewöhnt, allein heimzugehen, und es sei sowieso eine ruhige Nacht. Sie gab den zwei Miss Murphys und Father Flood die Hand, wünschte ihnen frohe Weihnachten und ging dann hinaus auf die dunklen, leeren Straßen von Brooklyn.Sie nahm sich vor, einen Bogen um die Küche zu machen und geradewegs auf ihr Zimmer zu gehen. Sie wollte sich ins Bett legen und sich alles, was geschehen war, vor dem Einschlafen noch einmal in Erinnerung rufen.
Dritter Teil
Inzwischen war es Januar, und Eilis spürte morgens auf dem Weg zur Arbeit die bittere Kälte. Egal, wie schnell sie ging, und selbst nachdem sie sich dicke Strümpfe gekauft hatte, fühlten sich ihre Füße, wenn sie im Bartocci’s ankam, wie Eisklumpen an. Auf den Straßen waren alle so vermummt, trugen warme Mäntel, Schals, Hüte, Handschuhe und Stiefel, als hätten sie Angst, sich zu zeigen. Ihr fiel auf, dass sie sogar Mund und Nase hinter dicken Schals und Halstüchern versteckten. Sie konnte von den Menschen lediglich die Augen sehen, und die wirkten wie erschreckt von der Kälte, verzweifelt angesichts des Windes und der eisigen Temperaturen. Abends drängten sich die Studenten nach dem Ende der Vorlesungen im Korridor des College zusammen und legten zum Schutz gegen die kalte Nacht eine Schicht Kleidung nach der anderen an. Es kam ihr vor wie die Vorbereitung auf ein seltsames Theaterstück, bei der sie mit langsamen, gemessenen Bewegungen, ausdruckslose Entschlossenheit in den Mienen, Kostüme anprobierten. Es erschien unmöglich, sich eine Zeit vorzustellen, zu der es nicht kalt war und sie diese Straßen entlanggehen und dabei an etwas anderes denken konnte als an den warmen Flur von Mrs. Kehoes Haus, die warme Küche und ihr eigenes warmes Zimmer.
Eines Abends, als sie gerade nach oben und ins Bett wollte, sah Eilis Mrs. Kehoe in der Tür ihres Wohnzimmers stehen und sich dort im Schatten herumdrücken, als fürchte sie sich, gesehen zu werden. Sie winkte Eilis stumm zu, forderte sie mit einer Geste zum Eintreten auf und schloss dann leise die Tür. Selbst als sie dasZimmer durchquerte und sich im Sessel am Kamin niederließ und dabei Eilis bedeutete, sich in den Sessel gegenüber zu setzen, sagte sie nichts. Ihr Gesichtsausdruck war ernst, als sie die rechte Hand ausstreckte und dann senkte und damit Eilis zu verstehen gab, dass sie, sollte sie etwas sagen, dies leise zu tun habe.
»So«, sagte sie und schaute in das hell brennende Kaminfeuer, bevor sie ein Scheit und dann noch eines nachlegte. »Kein Wort darüber, dass du je hier drinnen warst. Versprochen?«
Eilis nickte.
»Es ist nämlich so, dass Miss Keegan abreist, und je eher, desto besser, wenn du mich fragst. Sie hat mir versprechen müssen, niemandem ein Wort zu sagen. Sie ist eine typische Westirin, und die Leute von dort können besser den Mund halten als unsereins. Das kann ihr also ganz recht sein, denn so braucht sie sich von niemandem zu verabschieden. Am Montag ist sie weg, und ich will, dass du in ihr Zimmer im Souterrain umziehst. Es ist nicht feucht, also schau mich nicht so an.«
»Ich schau Sie gar nicht an«, sagte Eilis.
»Ist auch besser so.«
Mrs. Kehoe starrte kurz ins Feuer und dann auf den Fußboden.
»Es ist das beste Zimmer im ganzen Haus, das größte, das wärmste, das ruhigste und das am besten eingerichtete. Und es gibt nichts zu diskutieren. Du kriegst es und Schluss. Wenn du also am Sonntag deine Sachen packst, lasse ich sie am Montag, während du bei der Arbeit bist, runterschaffen, und damit hat sich’s. Du wirst einen Schlüssel für unten brauchen, weil du da deinen eigenen Eingang hast, gemeinsam mit Miss Montini, aber selbst wenn du den Schlüssel verlieren solltest, gibt’s natürlich die Treppe zwischen dem Souterrain und dem Erdgeschoss, also brauchst du nicht so besorgt zu schauen.«
»Wird es den
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