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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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Straßen entlangschieben sah. Eilis war stolz auf ihre Schwester, stolz darauf, wieviel Sorgfalt sie auf ihr Äußeres legte und wie sorgfältig sie darauf achtete, mit wem sie in der Stadtund im Golfklub verkehrte. Sie wusste, dass Rose versucht hatte, für sie eine Stelle in einem Büro zu finden, und es war auch Rose, die ihr jetzt, wo sie Buchführung und Grundlagen des Rechnungswesens lernte, die Bücher bezahlte, aber sie wusste auch, dass es in Enniscorthy, zumindest im Augenblick, für niemanden Arbeit gab, mochte er oder sie auch noch so qualifiziert sein.
    Eilis erzählte Rose nichts von Miss Kellys Angebot; dafür prägte sie sich, während sie eingewiesen wurde, jedes Detail ein, um es anschließend ihrer Mutter zu berichten, die lachte und sie einzelne Passagen ihres Berichts wiederholen ließ.
    »Diese Miss Kelly«, sagte ihre Mutter, »ist so schlimm wie ihre Mutter, und ich habe von jemand, der dort gearbeitet hat, gehört, dass diese Frau das leibhaftige Böse war. Vor ihrer Heirat hatte sie bloß im Roche’s bedient. Und das Kelly’s war früher nicht nur ein Laden, sondern auch eine Pension, und wenn man für sie arbeitete oder sogar wenn man dort wohnte oder im Laden einkaufte, war sie das leibhaftige Böse. Es sei denn natürlich, man hatte massenweise Geld oder gehörte zur Geistlichkeit.«
    »Ich bleibe da nur so lange, bis ich etwas finde«, sagte Eilis.
    »Genau das habe ich Rose auch gesagt, als ich es ihr erzählt habe«, erwiderte ihre Mutter. »Und sollte sie etwas sagen, hör nicht auf sie.«
    Rose ließ allerdings kein Wort darüber fallen, dass Eilis bald bei Miss Kelly anfangen würde. Statt dessen schenkte sie ihr eine blassgelbe Strickjacke, die sie noch kaum getragen hatte, weil die Farbe, wie sie behauptete, ihr nicht stehe und an Eilis besser aussehen würde. Sie schenkte ihr auch einen Lippenstift. Am Samstagabend ging sie aus, bekam also nicht mit, dass Eilis, obwohl Nancy und Annette ins Kino gingen, früh schlafen ging, damit sie an ihrem ersten Sonntag in Miss Kellys Laden ausgeruht sein würde.
    Eilis war nur ein einziges Mal, Jahre zuvor, zur Sieben-Uhr-Messe gegangen, und das war am Weihnachtsmorgen gewesen,als ihr Vater noch lebte und die Jungs noch zu Hause wohnten. Sie erinnerte sich, wie sie und ihre Mutter, während die anderen noch schliefen, die Geschenke im oberen Wohnzimmer unter den Baum gelegt hatten und auf Zehenspitzen aus dem Haus geschlichen waren, und als sie zurückkamen, waren die Jungs und Rose und ihr Vater wach und fingen gerade an, die Pakete zu öffnen. Sie erinnerte sich an die Dunkelheit, die Kälte und die schöne Leere der Stadt. Jetzt verließ sie das Haus, ihren Kittel in einer Einkaufstasche und ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, unmittelbar nachdem zwanzig vor sieben die Glocke geläutet hatte, und machte sich, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass mehr als genug Zeit blieb, auf den Weg zur Kathedrale.
    Sie erinnerte sich, dass an jenem Jahre zurückliegenden Weihnachtsmorgen die Bänke im Mittelschiff der Kathedrale fast voll besetzt gewesen waren. Frauen, denen ein langer Vormittag in der Küche bevorstand, wollten sich möglichst früh an die Arbeit machen. Heute aber war fast niemand da. Sie schaute sich nach Miss Kelly um, sah sie aber erst bei der Kommunion und begriff dann, dass sie die ganze Zeit in ihrer Nähe gesessen hatte, auf der anderen Seite des Mittelganges. Sie beobachtete sie, wie sie mit gefalteten Händen und niedergeschlagenen Augen, von Mary gefolgt, die eine schwarze Mantille trug, an ihren Platz zurückkehrte. Sie hatten mit Sicherheit beide gefastet, dachte sie, so wie sie selbst ja auch, und sie fragte sich, wann sie wohl frühstücken würden.
    Als die Messe vorüber war, beschloss sie, nicht vor der Kathedrale auf Miss Kelly zu warten, verweilte statt dessen kurz beim Kiosk, während Bündel von Zeitungen ausgepackt wurden, und stellte sich dann vor den Laden und wartete dort. Miss Kelly grüßte sie weder noch lächelte sie, als sie ankam, sondern ging mürrisch zur Seitentür und befahl Eilis und Mary, draußen zu warten. Als sie die Ladentür aufgeschlossen hatte und anfing, die Lichter einzuschalten, ging Mary nach hinten und begann, Brotlaibezum Ladentisch zu tragen. Eilis wusste, dass es Brot vom Vortag war; sonntags wurde kein Brot ausgeliefert. Sie schaute zu, wie Miss Kelly einen neuen langen Streifen von gelbem klebrigem Fliegenpapier entrollte und Mary dann auf den Tresen steigen, den

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