Brooklyn
Streifen an der Decke befestigen und den alten, der schon ganz mit Fliegen übersät war, herunternehmen ließ.
»Keiner mag Fliegen«, sagte Miss Kelly, »am allerwenigsten sonntags.«
Bald kamen zwei, drei Leute ins Geschäft, um Zigaretten zu kaufen. Obwohl Eilis ihren Kittel schon angezogen hatte, befahl Miss Kelly Mary, sie zu bedienen. Als sie wieder gegangen waren, trug Miss Kelly Mary auf, nach oben zu gehen und eine Kanne Tee zu kochen, die sie dann – wie Eilis erfuhr, im Austausch gegen eine unentgeltliche Sunday Post , die Miss Kelly zusammenfaltete und beiseite legte – zum Zeitungskiosk trug. Eilis bemerkte, dass weder Miss Kelly noch Mary etwas aßen oder tranken. Miss Kelly führte sie in ein Hinterzimmer.
»Dieses Brot hier«, sagte sie und zeigte auf einen Tisch, »ist das frischeste. Es ist gestern abend von Stafford’s gekommen, aber es ist nur für besondere Kunden. Rühr dieses Brot also auf keinen Fall an. Das andere Brot ist für die meisten Leute gut genug. Und Tomaten haben wir keine. Die da bekommt niemand, es sei denn, ich gebe besondere Anweisungen.«
Nach der Neun-Uhr-Messe wurde es zum erstenmal richtig voll. Wer Zigaretten und Süßigkeiten wollte, schien zu wissen, dass er sich an Mary wenden sollte. Miss Kelly blieb im Hintergrund und teilte ihre Aufmerksamkeit zwischen der Tür und Eilis. Sie überprüfte jeden Preis, den Eilis aufschrieb, sagte ihn ihr kurz angebunden vor, wenn sie sich an einen Preis nicht erinnern konnte, und schrieb dann, nachdem Eilis alles addiert hatte, jede Zahl noch einmal auf und rechnete alles zusammen und erlaubte ihr erst dann, das Wechselgeld herauszugeben, nachdem sie gesehen hatte, welchen Betrag die Kundin gezahlt hatte. Nebenherbegrüßte sie bestimmte Kundinnen mit Namen, winkte sie nach vorn und bestand darauf, dass Eilis alles stehen und liegen ließ, um sie zu bedienen.
»Ah, Mrs. Prendergast«, sagte sie, »das neue Mädchen kümmert sich um Sie, und Mary trägt Ihnen dann alles zum Wagen.«
»Ich muss erst das hier fertig machen«, sagte Eilis, weil nur noch wenige Dinge fehlten, und sie hätte eine andere Bestellung abgeschlossen.
»Ach, darum kann sich Mary kümmern«, sagte Miss Kelly.
Mittlerweile standen die Leute schon in Fünferreihen an.
»Ich bin als nächster dran«, rief ein Mann, als Miss Kelly mit weiteren Brotlaiben zum Ladentisch zurückkam.
»Tja, wir sind sehr beschäftigt, da werden Sie schon warten müssen, bis Sie an der Reihe sind.«
»Aber ich war als nächster dran«, sagte der Mann, »und diese Frau ist vor mir bedient worden.«
»Also, was wollen Sie?«
Der Mann hatte einen Einkaufszettel in der Hand.
»Eilis wird sich gleich um Sie kümmern«, sagte Miss Kelly, »aber erst ist Mrs. Murphy an der Reihe.«
»Ich war auch schon vor ihr da«, sagte der Mann.
»Ich fürchte, Sie irren sich«, sagte Miss Kelly. »Jetzt Beeilung, Eilis, der Mann hier wartet. Nicht jeder hat den ganzen Tag Zeit, er ist also als nächster dran, nach Mrs. Murphy. Wieviel hast du für diesen Tee berechnet?«
So ging es fast bis ein Uhr weiter. Es gab keine Pause und nichts zu essen oder zu trinken, und Eilis war am Verhungern. Niemand wurde in der richtigen Reihenfolge bedient. Miss Kelly informierte einige ihrer Kundinnen – darunter zwei, die, da sie mit Rose befreundet waren, Eilis vertraulich grüßten –, dass sie schöne frische Tomaten hatte. Sie wog sie selbst ab, anscheinend beeindruckt von der Tatsache, dass Eilis diese Kundinnen kannte, während sie anderen mit Bestimmtheit erklärte, sie habe heute keine Tomaten,nicht eine einzige. Für bevorzugte Kundinnen holte sie das frische Brot ohne jede Hemmung, fast stolz nach vorn. Das Problem, begriff Eilis, war, dass es in der ganzen Stadt kein anderes Geschäft mit einer solchen Auswahl gab, das außerdem Sonntag vormittags aufhatte, aber irgendwie gewann sie den Eindruck, dass die Leute aus Gewohnheit kamen und dass es ihnen nichts ausmachte zu warten, dass sie vielmehr das Gedränge und die vielen Menschen genossen.
Eilis hatte zwar vorgehabt, solange Rose das Thema nicht zur Sprache brachte, während des Mittagessens nicht von ihrer neuen Arbeit in Miss Kellys Laden zu erzählen, aber dann konnte sie sich nicht beherrschen und begann, sobald sie sich gesetzt hatten, ihren Vormittag zu schildern.
»Ich war ein einziges Mal in diesem Laden«, sagte Rose, »auf dem Heimweg nach der Messe, und sie hat Mary Delahunt vor mir bedient. Ich habe mich umgedreht und bin
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