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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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Da sie etwas Geld gespart hatte, beschloss sie, sich ein paar neue Sachen zu kaufen, aber sie wusste, dass sie es allein kaum schaffen würde und ihre zwei jetzigen Begleiterinnen ihr ebenso wenig von Nutzen sein würden wie Patty und Diana. Die Aufmachung der ersten beiden war zu steifund förmlich, die der anderen beiden zu modern und zu schrill. Wenn ihre Prüfungen im Mai erst einmal vorüber wären, würde sie sich in aller Ruhe in Geschäften umsehen und Preise vergleichen und herausfinden, welche amerikanischen Kleider ihr am besten standen.
    Als sie in den Saal traten und an einigen Paaren mittleren Alters vorbei, die zur Musik tanzten, über den nackten Dielenboden zu den Bänken an der gegenüberliegenden Wand gingen, kam ihnen Father Flood entgegen und gab ihnen die Hand.
    »Wir erwarten ganze Volksmengen«, sagte er. »Aber die kommen nie, wenn man sie braucht.«
    »Ah, wir wissen schon, wo die sind«, sagte Miss McAdam. »Trinken sich Mut an.«
    »Ja nun, es ist eben Freitag abend.«
    »Ich hoffe, sie werden nicht betrunken sein«, sagte Miss McAdam.
    »Oh, wir haben gute Aufpasser an der Tür. Und wir hoffen, dass es ein schöner Abend wird.«
    »Wenn Sie eine Bar aufmachten, würden Sie sich eine goldene Nase verdienen«, sagte Sheila Heffernan.
    »Glauben Sie ja nicht, ich hätte nicht mit dem Gedanken gespielt«, erwiderte Father Flood, wandte sich, lachend und händereibend, von ihnen ab und ging über die Tanzfläche in Richtung Eingang.
    Eilis blickte zu den Musikern hinüber. Es gab einen Mann mit einem Akkordeon, der sehr traurig und schwermütig aussah, während er einen langsamen Walzer spielte, und einen jüngeren Mann, der Schlagzeug spielte, und im Hintergrund einen älteren Mann am Kontrabass. Sie bemerkte auf der Bühne ein paar Blechblasinstrumente und ein Mikrophon für einen Sänger und schloss daraus, dass mehr Musiker kommen würden, wenn der Saal sich erst einmal füllte.
    Sheila Heffernan holte für jede von ihnen eine Zitronenlimonade,und sie setzten sich auf die Bank und nippten schweigend an ihren Gläsern, während der Saal sich allmählich füllte. Von Patty und Diana und ihrer Gruppe war allerdings noch nichts zu sehen.
    »Sie haben wahrscheinlich woanders was Besseres gefunden«, sagte Sheila.
    »Wäre auch zuviel von ihnen verlangt, ihre eigene Pfarrgemeinde zu unterstützen«, fügte Miss McAdam hinzu.
    »Und ich habe gehört, dass manche Tanzabende auf der Manhattan-Seite der Brücke sehr gefährlich sein können«, sagte Sheila Heffernan.
    »Wissen Sie, je eher das hier vorbei ist und ich zu Haus in meinem warmen Bett liege, desto glücklicher bin ich«, sagte Miss McAdam.
    Zunächst sah Eilis Patty und Diana gar nicht, sondern nur eine Gruppe junger Leute, die lärmend den Saal betreten hatten. Einige der Männer trugen grellfarbene Anzüge und hatten ihr Haar mit Pomade glatt zurückgekämmt. Ein, zwei von ihnen sahen bemerkenswert gut aus, wie Filmstars. Eilis konnte sich vorstellen, was die Neuankömmlinge, als sie den Saal mit blanken, aufgeregten, funkelnden, erwartungsvollen Augen betrachteten, von ihr und ihren zwei Gefährtinnen denken würden. Und dann machte sie unter ihnen Diana und Patty aus, die beide strahlten und absolut perfekt aussahen, einschließlich ihres warmen Lächelns.
    Jetzt hätte Eilis alles dafür gegeben, mit ihnen zusammenzusein, so gekleidet wie sie, wäre gern selbst so glamourös gewesen und ebenso wie sie zu sehr abgelenkt von den Scherzworten und lächelnden Mienen ihrer Begleiter, um noch jemand anders mit derselben atemlosen Intensität anschauen zu können, wie Eilis sie anschaute. Sie hatte Angst, sich nach Miss McAdam und Sheila Heffernan umzudrehen; sie wusste, dass sie möglicherweise ihre Gefühle teilten, war sich aber auch darüber im klaren, dass siesich nach Kräften bemühen würden, den Eindruck zu erwecken, als missbilligten sie das Auftreten der Neuankömmlinge zutiefst. Sie konnte es nicht über sich bringen, ihre zwei Hausgenossinnen anzuschauen, aus Angst, sie könnte in ihren Gesichtern etwas von ihrem eigenen Unbehagen erkennen, ihre eigene Unfähigkeit, so auszusehen, als amüsierte sie sich.
    Nach einer Weile wurden keine irischen Melodien mehr gespielt. Der Akkordeonspieler begann, langsame Melodien auf dem Saxophon zu spielen, Melodien, die den meisten Tänzern bekannt zu sein schienen. Mittlerweile war der Saal voll. Die tanzenden Paare bewegten sich langsam, und ihre Art, auf die Musik zu reagieren, erschien

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