Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
Vom Netzwerk:
hinzuweisen, dass dies hellere Farben waren, aber die meisten von ihnen schenkten ihr keinerlei Beachtung. Am Ende dieser Tage war sie völlig erschöpft und empfand die Vorlesungen am Abend fast als eine Erholung, erleichtert darüber, dass es etwas gab, was sie von der Spannung ablenkte, die am meisten in der Nähe ihres Ladentisch zu spüren war. Sie wünschte, man hätte nicht ausgerechnet sie dazu ausersehen, an diesem Tisch zu stehen, und fragte sich, ob sie in absehbarer Zeit in eine andere Abteilung des Kaufhauses versetzt werden würde.

    Eilis liebte ihr Zimmer, liebte es, wenn sie abends heimkam, ihre Bücher auf den Tisch gegenüber dem Fenster zu legen und dann in ihren Pyjama und den Hausmantel, den sie in einem der Ausverkäufe gekauft hatte, und in ihre warmen Pantoffeln zu schlüpfen und vor dem Zubettgehen noch eine Stunde lang und länger die Vorlesungsnotizen durchzusehen und dann noch einmal in die Lehrbücher über Buchhaltung und Rechnungswesen, die sie sich gekauft hatte, hineinzuschauen. Ihr einziges Problem waren und blieben die Juravorlesungen. Sie sah gern zu, wenn Mr. Rosenblum sprach und gestikulierte und ihnen manchmal eine ganze Gerichtsverhandlung vorspielte und die Parteien, selbst wenn es Firmen waren, anschaulich beschrieb, aber weder sie noch einer der Kommilitonen, die sie darauf ansprach, wusste, was von ihnen erwartet wurde, in welcher Form dies bei einer Prüfung möglicherweise auftauchen würde. Da Mr. Rosenblum so viel wusste, fragte sie sich, ob er von ihnen möglicherweise erwartete, dass sie ebenso detailliert über Prozesse und deren Bedeutung und Präzedenzfälle und die Urteile, Vorurteile und Eigenheiten einzelner Richter Bescheid wussten.
    Es beunruhigte sie so, dass sie beschloss, ihm genau zu erklären, was ihr Problem war. Ebenso schnell, wie er in seinen Vorlesungen sprach, von einem Fall zum anderen sprang, von dem, was ein Gesetz theoretisch bedeuten konnte, zu dem, wie es bisdahin ausgelegt worden war, verschwand er, sobald die Vorlesung zu Ende war, als werde er noch woanders dringend erwartet. Eilis nahm sich vor, sich in die erste Reihe zu setzen und an ihn heranzutreten, sobald er den Mund zugemacht hätte, aber als es soweit war, wurde sie nervös. Sie hoffte, er würde nicht glauben, dass sie ihn kritisieren wollte; sie befürchtete außerdem, er würde vielleicht so mit ihr reden, dass sie ihm nicht folgen konnte. Sie hatte so einen Menschen noch nie erlebt. Er erinnerte sie an manche Kellner in den Cafés in der Nähe der Fulton Street, die keine Geduld hatten, die sie zwangen, sofort, augenblicklich, alle möglichen Entscheidungen zu treffen, und immer eine zusätzliche Frage für sie parat hatten, egal, wonach sie verlangt hatte – ob sie eine kleine oder eine große Portion wollte, oder ob es aufgewärmt sein sollte oder mit Senf. Im Bartocci’s hatte sie gelernt, Kundinnen gegenüber mutig und entschlossen zu sein, aber kaum war sie selbst Kundin, war sie, wie sie wusste, unentschlossen und langsam.
    Sie würde Mr. Rosenblum ansprechen müssen. Er wirkte so intelligent, und er wusste so viel, dass sie sich, als sie auf das Podium zuging, noch immer fragte, wie er auf eine einfache Bitte reagieren würde. Sobald er sich ihr zugewandt hatte, stellte sie allerdings fest, dass sie, ohne sich allzusehr bemühen zu müssen, ganz gelassen war.
    »Gibt es ein Buch zu kaufen, das mir bei diesem Teil des Kurses helfen würde?« fragte sie.
    Mr. Rosenblum schaute verdutzt drein und gab keine Antwort.
    »Ihre Vorlesung ist interessant«, sagte sie, »aber ich mache mir Sorgen wegen der Prüfung.«
    »Sie gefällt Ihnen?« Jetzt wirkte er jünger, als wenn er zu allen Studenten sprach.
    »Ja«, sagte sie und lächelte. Sie wunderte sich über sich selbst, weil sie nicht gestottert hatte. Wahrscheinlich war sie nicht einmal rot geworden.
    »Sind Sie Britin?« fragte er.
    »Nein, Irin.«
    »Von weither also.« Er sprach wie zu sich selbst.
    »Ich wollte gern wissen, ob Sie ein zusätzliches Lehrbuch oder ein Handbuch empfehlen können, das ich für die Prüfung durcharbeiten könnte.«
    »Sie scheinen sich Sorgen zu machen.«
    »Ich weiß nicht, ob die Notizen, die ich mir mache, oder die Bücher, die ich habe, ausreichen.«
    »Sie möchten mehr lesen?«
    »Ich hätte gern ein Buch, das ich durcharbeiten kann.«
    Er sah sich im Vorlesungssaal um, der sich rasch leerte. Er wirkte tief in Gedanken, als ob die Frage ihn überraschte.
    »Es gibt ein paar sehr gute

Weitere Kostenlose Bücher