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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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schließlich im Krieg in Übersee gekämpft, oder?« fragte Mrs. Kehoe. »Und sie sind genauso gefallen wie unsere Männer, sage ich immer. Als man sie brauchte, da hat niemand was gegen sie gehabt.«
    »Aber ich würde nicht gern –«, begann Miss McAdam.
    »Wir wissen, was Sie nicht gern tun würden«, unterbrach sie Mrs. Kehoe.
    »Ich würde sie nicht gern in einem Geschäft bedienen müssen«, beharrte Miss McAdam.
    »Du lieber Gott, ich auch nicht«, sagte Patty.
    »Sie hätten also etwas gegen ihr Geld?« fragte Mrs. Kehoe.
    »Sie sind sehr nett«, sagte Eilis. »Und manche von ihnen sind sehr gut angezogen.«
    »Dann stimmt es also?« fragte Sheila Heffernan. »Ich dachte, es wäre ein Witz. Tja, das war’s dann. Ich werde natürlich weiterhin am Bartocci’s vorbeigehen, aber auf der anderen Straßenseite.«
    Eilis fühlte sich plötzlich mutig. »Das werde ich Mr. Bartocci erzählen. Er wird sehr betrübt sein, Sheila. Sie und Ihre Freundin sind berühmt wegen Ihrer Eleganz, besonders wegen der Laufmaschen in Ihren Strümpfen und den komischen alten Strickjacken, die Sie immer tragen.«
    »Ich will von keiner mehr was hören«, sagte Mrs. Kehoe. »Ich habe die Absicht, in Ruhe zu Ende zu essen.«
    Als sich Schweigen über den Tisch gesenkt und Patty aufgehört hatte, vor Lachen zu kreischen, hatte Sheila Heffernan bereits das Zimmer verlassen, aber Miss McAdam starrte Eilis kreidebleich an.

    Als sie am folgenden Donnerstag nachmittag nach Manhattan fuhr, konnte sie keinen Unterschied zu Brooklyn feststellen, außer dass ihr die Kälte strenger und trockener und der Wind stürmischerschienen, als sie aus der U-Bahnstation kam. Sie wusste nicht, was sie eigentlich genau erwartet hatte, aber mit Sicherheit Glamour, elegantere Geschäfte und besser gekleidete Menschen und dass dort alles weniger heruntergekommen und trostlos war, als es manchmal in Brooklyn aussah.
    Sie hatte sich darauf gefreut, ihrer Mutter und Rose von ihrer ersten Fahrt nach Manhattan zu schreiben, aber jetzt erkannte sie, dass es damit nicht anders war als mit der Ankunft farbiger Kundinnen im Bartocci’s und ihrem Streit mit den anderen Mieterinnen über dieses Thema; es würde wieder etwas sein, was sie in einem Brief nach Haus nicht erwähnen durfte, da sie weder die beiden beunruhigen noch ihnen Nachrichten schicken wollte, die ihnen vielleicht den Eindruck vermittelt hätten, sie könnte nicht auf sich selbst aufpassen. Ebensowenig wollte sie ihnen Briefe schreiben, die sie hätten deprimieren können. Als sie eine scheinbar nicht enden wollende Straße voll schäbiger Läden und ärmlich aussehender Menschen entlangging, wusste sie daher, dass ihr das nichts nützen würde, wenn sie in ihrem nächsten Brief etwas Neues berichten wollte, es sei denn, überlegte sie sich, sie würde das ins Komische ziehen und sie glauben lassen, dass sie, da Manhattan trotz allem, was sie gehört hatte, kein bisschen besser als Brooklyn war, nichts verpasste, wenn sie nicht dort wohnte und auch nicht beabsichtigte, demnächst wieder hinzufahren.
    Sie fand den Buchladen ohne Schwierigkeiten und staunte, sobald sie eingetreten war, über die Anzahl der juristischen Bücher und über das Format und den Umfang von manchen. Sie fragte sich, ob es in Irland auch so viele juristische Bücher gab und ob die Anwälte in Enniscorthy sich während ihres Studiums in solche Bücher vergraben hatten. Da Rose mit einer der Anwaltsgattinnen Golf spielte, wäre das ein gutes Thema für einen Brief an sie.
    Zunächst schaute sich Eilis im Geschäft um und las die Titeleinzelner Bücher in den Regalen, von denen einige, wie sie jetzt erkannte, alt und möglicherweise gebraucht waren. Es fiel ihr leicht, sich Mr. Rosenblum hier vorzustellen, wie er in einem oder zwei Folianten blätterte oder auf die Leiter stieg, um etwas von den oberen Regalbrettern zu holen. Nachdem sie ihn in Briefen nach Haus mehrmals erwähnt hatte, hatte Rose gefragt, ob er verheiratet sei. Es war Eilis schwergefallen, in ihrem Antwortbrief zu erklären, dass er ihr so kenntnisreich und so beschäftigt mit den Details und komplexen Zusammenhängen seines Spezialgebiets und so seriös erschien, dass man ihn sich unmöglich als Ehemann und Vater vorstellen konnte. Rose hatte in ihrem Brief außerdem noch einmal erklärt, Eilis könnte ihr, sollte sie irgendwelche privaten Dinge zu erzählen haben, etwas, was ihre Mutter nicht erfahren sollte, ins Büro schreiben, und sie, schrieb Rose, würde

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