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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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hell leuchtenden Haar grell ab. Eilis fand, sie sah aus wie die Frau eines Pferdehändlers auf dem Jahrmarkt in Enniscorthy und wäre fast nach unten geflohen. Statt dessen musste sie lächeln, als Dolores sagte, sie müsse noch rauf und ihren Wintermantel und einen Hut holen. Eilis wusste nicht, wie sie im Saal neben ihr sitzen sollte, während Miss McAdam und Sheila Heffernan von ihr Abstand halten und dann Patty und Diana mit allen ihren Freunden ankommen würden.
    »Gibt’s da tolle Kerle?« fragte Dolores, als sie auf der Straße waren.
    »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Eilis kühl. »Ich gehe da nur hin, weil es von Father Flood organisiert wird.«
    »O Gott, treibt er sich die ganze Nacht da rum? Das ist dann genau wie zu Haus.«
    Eilis gab keine Antwort und bemühte sich, würdevoll zu gehen, als sei sie zusammen mit Rose auf dem Weg zur Elf-Uhr-Messe in der Kathedrale von Enniscorthy. Jedesmal, wenn Dolores sie etwas fragte, antwortete sie leise und mit wenigen Worten. Am besten, dachte sie, wäre es, wenn sie schweigend zum Gemeindesaal gehen könnten, aber sie konnte Dolores nicht vollkommen ignorieren, auch wenn sie, als sie an einer Ampel warteten, merkte, dass sie jedesmal, wenn ihre Begleiterin etwas sagte, gereizt die Fäuste ballte.
    Sie hatte erwartet, dass sich Miss McAdam und Sheila Heffernan, sobald sie ihre Mäntel an der Garderobe abgegeben hätten, an eine Stelle, von der aus sie die Tanzenden betrachten konnten, abseits von ihnen setzen würden. Aber statt dessen rückten ihre zwei Hausgenossinnen näher an sie heran, um desto deutlicher zu zeigen, dass sie nicht die Absicht hatten, mit ihnen ein Wort zu wechseln oder überhaupt in irgendeiner Weise mit ihnen zu tun zu haben. Eilis beobachtete, wie Dolores ihre Blicke blitzschnell im Saal umherschweifen ließ und die Stirn aufmerksam runzelte.
    »Du lieber Gott, es ist ja überhaupt keiner da«, sagte sie.
    Eilis starrte stur geradeaus und tat so, als habe sie sie nicht gehört.
    »Ich hätte gern ’n Kerl, und Sie?« fragte Dolores und stupste sie an. »Wie die amerikanischen Kerle wohl so sind?«
    Eilis sah sie ausdruckslos an.
    »Ich würd sagen, die sind anders«, fügte Dolores hinzu.
    Eilis’ Reaktion bestand darin, ein bisschen von ihr abzurücken.
    »Das sind furchtbare Miststücke, diese anderen«, fuhr Dolores fort. »Genau das hat die Chefin gesagt. Miststücke. Die einzige, die kein Miststück ist, das sind Sie.«
    Eilis schaute zur Kapelle und warf dann einen verstohlenen Blick hinüber zu Miss McAdam und Sheila Heffernan. MissMcAdam erwiderte ihren Blick und lächelte dann geziert, herablassend.
    Diesmal kamen Patty und Diana in einer noch größeren Gruppe an als das andere Mal. Jeder im Saal schien auf sie aufmerksam zu werden. Patty hatte ihr Haar zu einem Knoten zurückgebunden und trug einen dicken schwarzen Lidstrich. Das ließ sie sehr streng und dramatisch aussehen. Eilis bemerkte, dass Diana so tat, als habe sie sie nicht gesehen. Es war, als sei das Eintreffen dieser Gruppe ein Signal für die Kapelle; bis dahin hatten lediglich der Pianist und ein paar Bassisten alte Walzer gespielt, doch nun spielten sie Stücke, die, wie Eilis von ihren Kolleginnen wusste, Swingmelodien hießen und sehr in Mode waren.
    Nun begannen einige aus Pattys und Dianas Gruppe zu klatschen und die Musiker anzufeuern, und als Eilis Pattys Blick auffing, machte ihr Patty ein Zeichen, zu ihnen herüberzukommen. Es war eine winzigkleine, aber unmissverständliche Geste, und anschließend fuhr Patty fort, fast ungeduldig zu ihr hinüberzustarren. Plötzlich beschloss Eilis, aufzustehen und zu Pattys Gruppe hinüberzugehen und sie dabei alle so selbstverständlich anzulächeln, als seien sie alte Freunde. Sie ging ganz aufrecht und versuchte vollkommen gelassen zu wirken.
    »Ich bin sehr froh, Sie zu sehen«, sagte sie leise zu Patty.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte Patty.
    Als Patty vorschlug, auf die Toilette zu gehen, nickte Eilis und folgte ihr.
    »Ich weiß nicht genau, wie Sie ausgesehen haben, als Sie da saßen«, sagte sie, »aber glücklich ganz bestimmt nicht.«
    Sie bot Eilis an, ihr zu zeigen, wie sie den schwarzen Lidstrich und etwas Wimperntusche auftragen konnte, und sie standen eine Zeitlang zusammen vor dem Spiegel, ohne denjenigen, die ein- und ausgingen, die geringste Beachtung zu schenken. Mit Reservespangen, die sie in der Handtasche hatte, steckte sie Eilis das Haar hoch.
    »So, jetzt sehen Sie wie

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