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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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schreiben und zu sagen,dass Tony ganz und gar nicht so war und dass es in Brooklyn nicht immer so einfach wie in Enniscorthy war, den Charakter eines Menschen aus seinem Beruf zu erschließen.
    Jetzt schaute sie zu, wie Tony und Father Flood über Baseball sprachen. Offenbar vergaß Tony in seinem Eifer, dass er mit einem Priester redete, denn er unterbrach Father Flood und widersprach ihm leidenschaftlich, doch zugleich freundlich und amüsiert, als es um ein Spiel ging, das sie beide gesehen hatten, und um einen Spieler, dem Tony, wie er behauptete, niemals verzeihen würde. Eine Zeitlang schienen beide vergessen zu haben, dass sie überhaupt da war, und als es ihnen endlich wieder auffiel, einigten sie sich darauf, dass sie sie zu einem Baseballspiel mitnehmen würden, sobald sie Saison begann, vorausgesetzt, sie versprach ein Dodgers-Fan zu sein.

    Rose schrieb ihr und erwähnte, sie habe von Father Flood gehört, dass er Tony sympathisch und respektabel, anständig und höflich finde, dass es ihr aber trotzdem Sorgen mache, dass Eilis sich während ihres ersten Jahres in Brooklyn nur mit ihm und sonst niemandem treffe. Eilis hatte ihr gar nicht erzählt, dass sie sich an drei Abenden die Woche mit ihm traf und wegen ihrer Vorlesungen für nichts anderes Zeit hatte. So ging sie zum Beispiel nie mit ihren Mitbewohnerinnen aus, und das war ihr mehr als recht. Bei Tisch allerdings konnte sie, da sie jeden neuen Film gesehen hatte, jetzt immer mitreden. Sobald sich die anderen an den Gedanken gewöhnt hatten, dass sie mit Tony ausging, erteilten sie ihr keine weiteren Warnungen oder Ratschläge mehr. Nachdem sie Rose’ Brief ein paarmal gelesen hatte, wünschte sie, Rose würde es genauso halten. Mittlerweile tat es ihr fast leid, dass sie Rose überhaupt von Tony erzählt hatte. In den Briefen an ihre Mutter erwähnte sie ihn nach wie vor nicht.
    An ihrem Arbeitsplatz fiel ihr auf, dass manche Mädchen verschwanden und stillschweigend ersetzt wurden, bis sie selbst undein paar andere die erfahrensten in der Verkaufsabteilung waren und diejenigen, die das meiste Vertrauen genossen. Mit der Zeit spielte es sich so ein, dass sie ihre Mittagspause zwei-, dreimal die Woche mit Miss Fortini verbrachte, die sie intelligent und interessant fand. Als Eilis ihr von Tony erzählte, seufzte Miss Fortini und sagte, sie habe ebenfalls einen italienischen Freund, und er würde nur Probleme machen, und es würde mit ihm jetzt, wo die Baseballsaison begann, nur noch schlimmer werden, denn dann wolle er nur noch mit seinen Freunden trinken gehen und über die Spiele reden und keine Frauen dabeihaben. Als Eilis ihr erzählte, Tony habe sie eingeladen, sich mit ihm ein Spiel anzusehen, seufzte Miss Fortini erst und lachte dann.
    »Ja, Giovanni hat das auch gemacht, aber er hat nur ein einziges Mal während des Spiels mit mir geredet, und zwar, weil ich ihm und seinen Freunden ein paar Hotdogs holen sollte. Und als ich ihn gefragt habe, ob er Senf darauf wollte, hätte er mir beinah die Nase abgebissen. Weil ich ihn ablenkte.«
    Als Eilis Miss Fortini Tony beschrieb, war sie ganz Ohr.
    »Warten Sie mal. Er nimmt Sie nicht mit zu Trinkgelagen mit seinen Freunden und lässt Sie dann bei den Mädchen sitzen?«
    »Nein.«
    »Er redet nicht die ganze Zeit über sich selbst, wenn er Ihnen nicht gerade erzählt, wie großartig seine Mutter ist?«
    »Nein.«
    »Dann halten Sie ihn bloß fest, Schätzchen. Einen zweiten wie den finden Sie nicht. Vielleicht in Irland, aber nicht hier.«
    Sie lachten beide.
    »Also, was ist das Schlimmste an ihm?« fragte Miss Fortini.
    Eilis dachte kurz nach.
    »Es wär schön, wenn er fünf Zentimeter größer wäre.«
    »Sonst noch was?«
    Eilis dachte wieder nach.
    »Nein.«
    Sobald die Prüfungstermine ausgehängt wurden, nahm sich Eilis die ganze Woche frei. Sie machte sich Sorgen, ob sie bestehen würde, und ging in den sechs Wochen vor Beginn der Prüfungen samstags nicht mit Tony ins Kino; sie blieb in ihrem Zimmer, ging ihre Notizen und die juristischen Lehrbücher durch und versuchte, sich die Namen der wichtigsten Fälle einzuprägen und sich zu merken, inwiefern diese Urteile von Bedeutung waren. Dafür versprach sie Tony, nach dem Ende der Prüfungen zu seinen Eltern und Brüdern in die Seventy-second Street in Bensonhurst zum Essen zu kommen. Tony erklärte außerdem, er hoffe, Karten für die Dodgers zu bekommen, und werde sie und seine Brüder zum Spiel einladen.
    »Weißt du, was ich mir

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