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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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aber mein Bruder hat vermutet, dass ich mit einem Mädchen verabredet bin, und hat es ihr erzählt. Ich glaube, das hatten schon alle vermutet. Wahrscheinlich habe ich zuviel gelächelt. Und dass es um ein irisches Mädchen geht, musste ich ihnen sagen, weil sie sonst vielleicht geglaubt hätten, es wäre irgendeine Familie, die sie kennen.«
    Eilis verstand ihn nicht. Als er sie am Ende des Abends nach Hause begleitete, wusste sie nur, dass sie gern eng mit ihm tanzteund dass er lustig war. Aber sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn alles, was er ihr erzählt hatte, gar nicht wahr gewesen wäre, sondern bloß ein Jux, wie er überhaupt aus den meisten Dingen einen Jux machte – oder vielmehr, wie sie in den folgenden Tagen entschied, nachdem sie sich alle seine Worte noch einmal durch den Kopf hatte gehen lassen, aus allem.
    Im Haus wurde viel über ihren Verehrer den Klempner diskutiert. Sobald Mrs. Kehoe das Zimmer verlassen hatte und Patty und Diana sich darüber zu wundern begannen, dass keiner ihrer Freunde ihn jemals vorher gesehen hatte, erklärte sie, dass Tony kein Ire, sondern Italiener war. Auf dem Tanzabend hatte sie ihn absichtlich keiner von ihnen vorgestellt, und jetzt, als von ihm die Rede war, bedauerte sie es, überhaupt etwas über ihn gesagt zu haben.
    »Ich will bloß hoffen, dass der Tanzsaal jetzt nicht von Italienern überschwemmt wird«, sagte Miss McAdam.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Eilis.
    »Jetzt, wo die merken, was es da zu holen gibt.«
    Die anderen blieben einen Moment lang stumm. Es war Freitag abend, nach dem Essen, und Eilis wünschte, Mrs. Kehoe, die das Zimmer schon vor einer Weile verlassen hatte, würde zurückkommen.
    »Und was gibt es da zu holen?« fragte sie.
    »Mehr als das brauchen sie offenbar nicht zu machen.« Miss McAdam schnippte mit den Fingern. »Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.«
    »Ich glaube, wir müssen uns sehr in acht nehmen, wenn Männer, die wir nicht kennen, zu der Tanzveranstaltung kommen«, sagte Sheila Heffernan.
    »Vielleicht, Sheila«, sagte Eilis, »sollten wir ein paar von den Mauerblümchen mit der säuerlichen Miene loswerden.«
    Diana kreischte vor Lachen, und Sheila Heffernan verließ eilig den Raum.
    Plötzlich trat Mrs. Kehoe wieder in die Küche.
    »Diana«, sagte sie, »wenn ich Sie noch ein einziges Mal quieken höre, rufe ich die Feuerwehr, damit sie Sie abspritzt. Hat jemand irgend etwas Unfreundliches zu Miss Heffernan gesagt?«
    »Wir hatten Eilis lediglich einen guten Rat gegeben, das ist alles«, sagte Miss McAdam. »Dass sie sich vor Fremden in acht nehmen soll.«
    »Also, ich fand ihn sehr nett, ihren Besuch«, sagte Mrs. Kehoe. »Mit schönen altmodischen irischen Manieren. Und wir werden in diesem Haus keine weiteren Kommentare über ihn hören. Haben Sie mich verstanden, Miss McAdam?«
    »Ich hatte nur –«
    »Sie haben nur unterlassen, sich um Ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, Miss McAdam. Das ist ein Charakterzug, der mir bei Leuten aus Nordirland immer wieder auffällt.«
    Diana kreischte wieder auf und hielt sich dabei gespielt schuldbewusst die Hand vor den Mund.
    »Ich werde an diesem Tisch keine weiteren Gespräche über Männer dulden«, sagte Mrs. Kehoe, »nur noch soviel, Diana: Der Mann, der Sie einmal bekommt, kann sich wirklich bedanken. Die Nackenschläge, die das Leben verabreicht, werden Ihnen dieses süffisante Grinsen schon noch austreiben.«
    Eine nach der anderen schlichen sie aus dem Zimmer und ließen Mrs. Kehoe allein mit Dolores zurück.

    Tony fragte Eilis, ob sie an einem Abend unter der Woche mit ihm ins Kino gehen würde. Soviel sie ihm bisher auch erzählt hatte, die Tatsache, dass sie einen Kurs am Brooklyn College besuchte, hatte sie bislang ausgespart. Er hatte sie nicht gefragt, was sie abends machte, und sie hatte es ihm, fast absichtlich und um ihn auf Distanz zu halten, auch von sich aus nicht erzählt. Es hatte ihr gefallen, Freitag abends von ihm abgeholt zu werden, und sie freute sich immer auf das Zusammensein mit ihm, besonders imDiner, vor der Tanzveranstaltung. Intelligent und witzig erzählte er vom Baseball, von seinen Brüdern, seiner Arbeit und vom Leben in Brooklyn. Er hatte sich schnell die Namen ihrer Mitmieterinnen und ihrer Vorgesetzten im Kaufhaus gemerkt, und er schaffte es, regelmäßig auf eine Weise auf sie anzuspielen, die sie zum Lachen brachte.
    »Warum haben Sie mir nicht vom College erzählt?« fragte er sie, als sie im Diner

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