Brooklyn
einziges Ave Maria sprichst, aber sprich es langsam, und achte auf die Worte, und du musst mir versprechen, in einem Monat wiederzukommen. Wenn du schwanger bist, müssen wir uns noch einmal unterhalten, und wir werden dir helfen, so gut wir nur irgend können.«
Als sie heimkam, stellte sie fest, dass an der Tür zur Treppe ins Souterrain ein Schloss angebracht worden war, und sie musste durch den Haupteingang ins Haus. Mrs. Kehoe war in der Küche mit Miss McAdam, die beschlossen hatte, nicht zum Tanzen zu gehen.
»Das Souterrain wird künftig abgeschlossen bleiben«, sagte Mrs. Kehoe, als spräche sie nur mit Miss McAdam. »Man kann einfach nicht wissen, wer da hinuntergeht.«
»Das ist sehr klug von Ihnen«, sagte Miss McAdam.
Während Eilis sich ihr Abendessen zubereitete, behandelten Mrs. Kehoe und Miss McAdam sie so, als sei sie Luft.
Eilis’ Mutter schrieb im nächsten Brief, wie einsam sie sei und wie lang der Tag und wie schlimm die Nacht. Sie sagte, dauernd schauten Nachbarinnen bei ihr herein und Leute kämen nach dem Tee vorbei, aber ihr sei inzwischen der Gesprächsstoff ausgegangen. Eilis schrieb ihr alles über die Sommerartikel im Bartocci’s und in den anderen Kaufhäusern in der Fulton Street und überihre Vorbereitungen auf die Abschlussprüfungen im Mai und sagte, dass sie fleißig lernte, weil sie, wenn sie bestand, geprüfte Buchhalterin sein würde.
Tony erwähnte sie in keinem ihrer Briefe nach Hause, und sie fragte sich, ob ihre Mutter beim Ausräumen von Rose’ Zimmer oder beim Sichten der Sachen, die im Büro in ihrem Schreibtisch gewesen waren, inzwischen ihre Briefe an Rose gefunden und gelesen hatte. Sie sah Tony täglich, auch wenn er sie manchmal nur vom College abholte und mit ihr die Straßenbahn nahm und sie dann zu Fuß bis zu Mrs. Kehoes Haus begleitete. Seit der Nacht, die er in ihrem Zimmer verbracht hatte, war zwischen ihnen alles anders. Sie hatte das Gefühl, dass er entspannter war, eher bereit zu schweigen und nicht so sehr darauf aus, sie zu beeindrucken oder Witze zu reißen. Und jedesmal, wenn sie ihn aus der Ferne sah, spürte sie, dass sie sich nähergekommen waren. Jedesmal, wenn sie sich küssten oder sich ihre Körper auch nur streiften, wenn sie die Straße entlanggingen, dachte sie wieder an die Nacht, in der sie zusammengewesen waren.
Sobald sie wusste, dass sie nicht schwanger war, dachte sie mit Vergnügen an die Nacht zurück, besonders nachdem sie wieder bei dem Priester gewesen war, der ihr irgendwie vermittelte, dass das, was zwischen ihr und Tony geschehen war, zwar unrecht, aber doch nicht schwer zu verstehen war und vielleicht ein Zeichen Gottes, dass sie sich überlegen sollten, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Er wirkte beim zweitenmal so umgänglich, dass sie versucht war, ihm die ganze Geschichte zu erzählen und ihn zu fragen, was sie wegen ihrer Mutter tun sollte, deren Briefe zunehmend trauriger klangen und deren Handschrift gelegentlich seltsam ziellos, fast unleserlich, über die Seite schweifte, aber sie verließ den Beichtstuhl, ohne mehr gesagt zu haben.
Eines Sonntags, als sie gerade mit Sheila Heffernan die Kirche verließ, bemerkte Eilis, dass Father Flood, der nach der Messe oft vor der Kirche stand und sich von seinen Pfarrkindern verabschiedete,die Augen abgewandt und sich in den Schatten zurückgezogen hatte, als sie sich näherten, und sich jetzt ungeheuer konzentriert mit einer Reihe von Frauen unterhielt. Sie blieb zurück, nur um feststellen zu müssen, dass der Priester sich umdrehte und sich rasch von ihr entfernte. Sofort kam ihr der Gedanke, dass Mrs. Kehoe mit ihm gesprochen hatte und sie ihn so bald wie möglich aufsuchen sollte, bevor er etwas ganz Unvorstellbares tat und ihrer Mutter über sie schrieb. Freilich hatte sie keine Ahnung, was sie ihm sagen würde.
Und so verabredete sie sich nach dem Mittagessen mit Tony und seiner Familie für später mit ihm, sagte aber, sie müsste jetzt nach Hause gehen und lernen. Sie erlaubte ihm nicht, mit ihr in die U-Bahn einzusteigen. Von der U-Bahnstation ging sie schnurstracks zu Father Floods Haus.
Erst als sie in seinem vorderen Empfangszimmer saß und auf ihn wartete, ging ihr auf, dass sie wohl kaum Mrs. Kehoe erwähnen konnte – sie würde darauf warten müssen, bis er es von sich aus tat. Wenn er das Thema nicht anschnitt, konnte sie über ihre Mutter reden und vielleicht sogar über die Möglichkeit, nachdem sie ihre Prüfung als Buchhalterin
Weitere Kostenlose Bücher