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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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in ihr Zimmer und öffnete den Brief. Die Bartoccis, schrieb Father Flood, konnten ihr einen Monat unbezahlten Urlaub anbieten, den Zeitraum sollte sie mit Miss Fortini absprechen, und wenn sie ihre Prüfung bestand, hofften sie, ihr binnen der nächsten sechs Monate eine Bürostelle anbieten zu können. Sie ließ den Brief auf dem Bett liegen und ging wieder nach oben, wo Mrs. Kehoe ihr schon den Tee eingeschenkt hatte.
    »Würden Sie sich sicher fühlen, wenn ich das Schloss vom Tor zum Souterrain wieder entfernen würde?« fragte Mrs. Kehoe. »Ich wusste nicht, was tun, also hab ich diesen netten Sergeant Mulhall gefragt, dessen Frau mit mir Poker spielt, und er sagte, er würde dafür sorgen, dass seine Leute ein besonderes Auge auf den Eingang haben und jedes unstatthafte Vorkommnis dort unten melden.«
    »Oh, das ist eine hervorragende Idee, Mrs. Kehoe«, sagte Eilis. »Wenn Sie ihn das nächstemal sehen, sollten Sie ihm im Namen von uns allen danken.«

    Sie hoffte, dass die Juraklausur genauso einfach wäre wie die erste. Und sie hatte das Gefühl, in allen anderen Fächern gut vorbereitet zu sein. Aber im Rahmen der Abschlussprüfung würde jeder Student die Jahresgewinnermittlung für eine Firma erstellen müssen und dafür die notwendigen Daten erhalten, also die Betriebskosten wie Miete und Heizung und Strom, Löhne, jährliche Wertminderung von Maschinen und anderen Betriebsgütern, Schulden, Investitionen und Steuern. Auf der anderen Seite kamenaus unterschiedlichen Quellen eingehende Einkünfte aus Groß- oder Einzelhandelsverkäufen. Alle diese Daten würden sie in ein Hauptbuch in die jeweils richtigen Spalten eintragen müssen, so dass Geschäftsführung und Aktionäre sich bei der Jahreshauptversammlung anhand dieser Bilanz ein klares Bild von den Gewinnen und Verlusten der Firma machen konnten. Wer diesen Teil des Examens nicht bestand, würde insgesamt durchfallen, gleichgültig, wie gut er in den anderen Klausuren abgeschnitten hatte. Er würde dann die gesamte Prüfung wiederholen müssen.
    Eines Abends kurz vor dem Examen, als Tony sie nach Hause begleitete, erzählte ihm Eilis von ihrem Plan, sobald die Ergebnisse bekanntgegeben worden wären, für einen Monat nach Hause zu fahren. Sie hatte ihrer Mutter endlich geschrieben und ihr die Neuigkeit mitgeteilt. Tony entgegnete nichts, aber als sie bei Mrs. Kehoes Haus angekommen waren, bat er sie, mit ihm einmal um den Block zu gehen. Sein Gesicht war blass, und er wirkte ernst und sah sie beim Sprechen nicht direkt an.
    Als sie sich ein Stück entfernt hatten und niemand zu sehen war, setzte er sich auf die Treppe, die zu einem anderen Haus führte, während Eilis am Geländer stehenblieb. Sie hatte gewusst, dass es ihn verletzen würde, wenn sie einfach so wegging, aber sie wollte ihm erklären, dass er seine Angehörigen bei sich in Brooklyn hatte und nicht wusste, wie es war, fern von zu Hause zu sein. Unter ähnlichen Umständen, würde sie zu ihm sagen, würde auch er zu einem Besuch heimfahren.
    »Heirate mich, bevor du zurückgehst«, sagte er kaum hörbar.
    »Was hast du gesagt?« Sie ging zur Treppe und setzte sich neben ihn.
    »Wenn du gehst, kommst du nicht wieder zurück.«
    »Ich hab’s dir doch gesagt, es ist nur für einen Monat.«
    »Heirate mich, bevor du zurückgehst.«
    »Du glaubst mir nicht, dass ich zurückkomme.«
    »Ich hab den Brief deines Bruders gelesen. Ich weiß, wie schweres für dich wäre, heimzufahren und dann wieder abzureisen. Ich weiß, dass es auch mir schwerfiele. Ich weiß, was für ein guter Mensch du bist. Ich würde in der ständigen Angst leben, einen Brief von dir zu bekommen, in dem du mir erklärst, dass du deine Mutter nicht allein lassen kannst.«
    »Ich verspreche dir, ich komm zurück.«
    Jedesmal, wenn er »heirate mich« sagte, wandte er sich von ihr ab und murmelte die Worte so, als spreche er zu sich selbst. Jetzt drehte er sich um und sah sie direkt an.
    »Ich meine nicht in der Kirche, und ich meine auch nicht, dass wir wie Mann und Frau zusammenleben, und wir brauchen niemand was zu sagen. Es kann einfach eine Sache zwischen dir und mir sein, und in der Kirche können wir heiraten, wenn du wieder zurück bist und wir uns dafür entschieden haben.«
    »Kann man denn einfach so heiraten?« fragte sie.
    »Klar kann man. Man braucht sich nur anzumelden, und ich besorge eine Liste der Dinge, die wir tun müssen.«
    »Warum willst du, dass ich das tue?«
    »Es wird einfach eine Sache zwischen

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