Brooklyn
kein Wort, aber als er sie von der U-Bahnstation durch die kalten leeren Straßen zu Mrs. Kehoes Haus begleitete, spürte sie, dass er tief verletzt war, dass der Ton des Briefs ihm irgendwie klargemacht hatte, was wirklich geschehen war, und ihm auch zu verstehen gegeben hatte, dass sie woanders hingehörte, an einen Ort, der ihm immer unbekannt bleiben würde. Sie glaubte, er würde gleich weinen und hatte fast ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm einen Teil ihres Kummers aufgebürdet hatte, und dann fühlte sie sich ihm nah wegen seiner Bereitschaft, ihn auf sich zu nehmen, das ganze Leid, die ganze Verwirrung. Sie war jetzt fast noch mehr durcheinander als zuvor, als sie losgegangen war, um ihn aufzusuchen.
Als sie vor dem Haus angekommen waren, nahm er sie in die Arme, küsste sie aber nicht. Sie schmiegte sich so dicht wie möglich an ihn, bis sie seine Wärme spürte, und dann begannen beide zu schluchzen. Sie wünschte, sie könnte ihm glaubhaft machen, dass sie nicht wegfahren würde, aber dann kam ihr der Gedanke, dass Tony vielleicht meinte, dass sie gehen sollte, dass der Brief ihm klargemacht hatte, was ihre Pflicht war, dass er jetzt einfach um alles weinte, um Rose, die tot war, um ihre Mutter, die einsam war, um Eilis, die würde gehen müssen, und um sich selbst, der zurückbleiben würde. Sie wünschte, sie könnte etwas Eindeutiges sagen, wünschte sogar, sie wüsste, was er dachte oder warum er jetzt noch hemmungsloser als sie weinte.
Sie wusste, dass sie unmöglich die Treppe zum Souterrain allein hinuntersteigen, das Licht in ihrem Zimmer einschalten und dort für sich sein konnte. Und sie wusste auch, dass er nicht kehrtmachen und weggehen konnte. Während sie den Türschlüssel aus ihrer Manteltasche hervorzog, zeigte sie auf Mrs. Kehoes Fensterund legte den Finger an die Lippen. Sie stiegen auf Zehenspitzen die Stufen zum Souterrain hinunter, und sie öffnete die Tür und schaltete das Flurlicht ein und schloss die Tür ohne ein Geräusch und machte ihm die Tür zu ihrem Zimmer auf, bevor sie das Flurlicht ausschaltete.
Im Zimmer war es warm, und sie zogen ihre Mäntel aus. Tonys Gesicht war vom Weinen verquollen und gerötet. Als er versuchte zu lächeln, ging sie auf ihn zu und nahm ihn in die Arme.
»Hier wohnst du?« flüsterte er.
»Ja, und wenn du auch nur das geringste Geräusch machst, werde ich auf die Straße gesetzt«, sagte sie.
Er küsste sie sanft und reagierte mit der Zunge erst, als sie den Mund für ihn öffnete. Sein Körper war warm und erschien ihr jetzt, als sie ihn an sich zog, seltsam verwundbar. Sie ließ ihre Hände über seinen Rücken und unter sein Hemd gleiten, bis sie seine Haut spürte. Sie bewegten sich wortlos auf das Bett zu. Als sie nebeneinanderlagen, schob er ihren Rock hoch und öffnete seinen Hosenschlitz ein Stück weit, so dass sie seinen Penis spüren konnte. Sie wusste, dass er auf ein Zeichen von ihr wartete und vorher nichts unternehmen würde. Sie öffnete die Augen und sah, dass seine geschlossen waren. Sie rutschte vorsichtig ein Stück von ihm weg und zog ihren Slip aus, und als sie wieder neben ihm lag, hatte er seine Hose weiter heruntergezogen und auch seine Unterwäsche, so dass sie ihn berühren konnte. Er versuchte, seine Hände auf ihre Brüste zu legen, aber es gelang ihm nicht recht, ihren Büstenhalter zu öffnen; er ließ die Hände auf ihrem Rücken liegen und konzentrierte sich darauf, sie leidenschaftlich zu küssen.
Als er sich auf sie legte und in sie eindrang, bemühte sie sich, trotz ihrer steigenden Panik keinen Laut von sich zu geben. Es war nicht nur der Schmerz und der Schock, sondern auch der Gedanke, dass sie keine Kontrolle über ihn hatte, dass sein Penis tiefer in sie eindrang, als sie wollte. Mit jedem Stoß schien er weiterin sie einzudringen, bis sie sicher war, dass er sie dabei verletzen würde. Wenn er sich zurückzog, war sie einen Moment lang erleichtert, aber es tat jedesmal nur noch mehr weh, wenn er wieder in sie eindrang. Sie machte sich steif, so gut es ging, damit es aufhörte, und sie wünschte sich, sie könnte schreien oder ihm irgendwie begreiflich machen, dass er nicht so fest zustoßen durfte, weil sonst noch etwas kaputtginge.
Dass sie nicht schreien konnte, vergrößerte ihre Panik nur noch; sie konzentrierte sich darauf, ihren ganzen Körper mit aller Kraft steif wie ein Brett zu machen. Und als sie das tat, hielt er plötzlich die Luft an und brachte dann Geräusche hervor, von denen
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