Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
Vom Netzwerk:
uns beiden sein.«
    »Aber warum willst du das?«
    Jetzt hatte er Tränen in den Augen. »Weil ich, wenn wir es nicht tun, verrückt werde.«
    »Und wir sagen keinem was davon?«
    »Keinem. Wir nehmen uns einen halben Tag frei, das ist alles.«
    »Und werde ich einen Ring tragen?«
    »Du kannst, wenn du möchtest, aber wenn nicht, ist es auch in Ordnung. Das Ganze könnte, wenn du möchtest, einfach unsere Privatangelegenheit sein, nur zwischen dir und mir.«
    »Wäre ein Versprechen nicht das gleiche?«
    »Wenn du ein Versprechen geben kannst, dann kannst du das erst recht.«

    Er legte einen Termin kurz nach ihrer Prüfung fest, und sie machten sich daran, alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen und die notwendigen Formulare auszufüllen. Am Sonntag vor dem Termin aß sie wie gewohnt bei seiner Familie zu Mittag. Als sie sich setzte, hatte sie das Gefühl, dass Tony es seiner Mutter gesagt oder dass seine Mutter etwas erraten hatte. Auf dem Tisch lag ein neues Tischtuch, und seine Mutter war wie zu einem wichtigen Anlass gekleidet. Als dann Tonys Vater mit den drei Brüdern hereinkam, sah sie, dass sie alle Jackett und Schlips trugen, was sie normalerweise nicht taten. Als sie sich an den Tisch gesetzt hatten, fiel ihr auf, dass Frank zu Beginn der Mahlzeit ungewohnt schweigsam war und danach jedesmal, wenn er zu sprechen versuchte, von den anderen unterbrochen wurde.
    Noch mehrere Male während des Essens wurde er, kaum dass er den Mund aufmachte, zum Schweigen gebracht.
    Schließlich bestand Eilis darauf, zu hören, was er zu sagen hatte.
    »Wenn wir alle in Long Island wohnen«, sagte er, »und wenn ihr dort euer Haus habt, lasst ihr dann auch ein Zimmer für mich bauen, damit ich bei euch wohnen kann, wenn die alle gemein zu mir sind?«
    Eilis sah, dass Tony den Kopf gesenkt hielt.
    »Natürlich, Frank. Und du kannst dann kommen, wann immer du willst.«
    »Mehr wollte ich gar nicht sagen.«
    »Werd erwachsen, Frank«, sagte Tony.
    »Werd erwachsen, Frank«, wiederholte Laurence.
    »Ja, Frank«, fügte Maurice hinzu.
    »Siehst du?« sagte Frank zu Eilis gewandt und zeigte auf seine drei Brüder. »Das muss ich täglich ertragen.«
    »Keine Sorge«, sagte Eilis. »Um die kümmer ich mich schon.«
    Am Ende der Mahlzeit, als der Nachtisch aufgetragen wurde, holte Tonys Vater besondere Gläser und öffnete eine Flasche Spumante.Er brachte einen Trinkspruch aus, wünschte Eilis eine gute Reise und eine gute Rückkehr. Sie fragte sich, ob Tony ihnen tatsächlich nichts von der Hochzeit gesagt hatte, nur davon, dass sie für einen Monat nach Hause fahren wollte; es kam ihr unwahrscheinlich vor, dass er mit Frank gesprochen hatte, es sei denn, Frank hätte zufällig mitgehört. Vielleicht, dachte sie, gab es das besondere Essen bloß deshalb, weil sie nach Hause fuhr.
    Nach dem Dessert herrschte eine fröhliche Stimmung, und fast hoffte sie, Tony hätte ihnen erzählt, das sie beide heirateten.

    Er legte die Zeremonie auf zwei Uhr mittags fest, eine Woche vor ihrer Abreise. Die Prüfungen waren gut gelaufen, und sie war fast sicher, bestanden zu haben. Da andere Paare mit Angehörigen und Freunden kamen, wirkte ihre eigene Hochzeit überstürzt und löste bei den Wartenden große Neugier aus, weil sie allein gekommen waren.
    Nachmittags, während der Fahrt nach Coney Island, stellte Tony zum erstenmal die Frage, wann sie kirchlich heiraten und zusammenziehen könnten.
    »Ich habe Geld gespart«, sagte er, »wir könnten uns also eine Wohnung nehmen und dann in das Haus ziehen, wenn es fertig ist.«
    »Ich hab nichts dagegen«, sagte sie. »Ich wünschte, wir würden schon jetzt zusammen nach Hause gehen.«
    Er berührte ihre Hand.
    »Ich auch«, sagte er. »Und der Ring sieht wunderschön aus an deinem Finger.«
    Sie sah hinunter auf den Ring.
    »Ich darf nicht vergessen, ihn auszuziehen, bevor Mrs. Kehoe ihn sieht.«
    Der Ozean war rauh und grau, und der Wind blies dicke weiße Wolken über den Himmel. Sie schlenderten langsam die Promenade entlang und hinaus auf die Mole, wo sie dann stehenbliebenund den Fischern zusahen. Als sie zurückgegangen waren und im Nathan’s Hotdogs aßen, bemerkte Eilis, wie jemand am Nebentisch einen prüfenden Blick auf ihren Ehering warf. Sie lächelte in sich hinein.
    »Werden wir unseren Kindern jemals erzählen, was wir gemacht haben?« fragte sie.
    »Vielleicht, wenn wir alt sind und uns andere Geschichten ausgegangen sind«, sagte Tony. »Vielleicht sparen wir uns das aber

Weitere Kostenlose Bücher