Brother Sister - Hoert uns einfach zu
atmete er so tief ein, dass er sich verschluckte. Weinte er? Es sah ganz so aus. Oder als würde er jeden Moment damit anfangen. Er zitterte und schien sich große Mühe zu geben, nicht in Tränen auszubrechen.
Dann murmelte er: »Ich liebe dich, Asheley.« Und zwar so leise, dass ich es kaum hören konnte.
Ich wollte ihm so gern glauben. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihn noch liebte … oder genug liebte … oder ob er mir guttat. Ich war mir ziemlich sicher, dass sich nichts ändern würde. Er würde weiter wie ein Spinner durch die Gegend laufen, sich über alles lustig machen und Chaos verbreiten. Ich wusste, dass ich mich auch in Zukunft nicht auf ihn verlassen konnte, obwohl ich es gern getan hätte. Ich wusste also ganz genau, dass es das Letzte war, was ich in dem Moment tun sollte, und trotzdem beugte ich mich vor und küsste ihn ganz sanft auf die Lippen.
»Ich glaub, ich liebe dich auch«, sagte ich.
»Aber du bist dir nicht sicher?«
»Nein«, sagte ich.
Dann küsste er mich zurück, dieses Mal etwas länger.
Und dann noch mal. Unsere Zungenspitzen berührten sich.
Er hatte die Arme um mich gelegt und zog mich an sich. Seine Hände waren überall auf meinem Körper.
Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte. Ich bin’s immer noch nicht. Vielleicht wollte ich es tatsächlich. Vielleicht hat es mich aber auch nur völlig durcheinandergebracht.
Küssen wollte ich ihn schon, aber …
Wir kippten mit dem Rad um und rollten in die Böschung neben der Straße.
Er fuhr mit den Händen unter mein T-Shirt und streichelte mir den Bauch, dann drückte er mich ins Gras und kletterte auf mich rauf. Dabei stieß er mir den Ellenbogen in die Rippen, sodass ich vor Schmerz kurz aufschrie. Ich wehrte mich, denn ich bekam kaum Luft unter ihm.
Bitte, können wir nicht abbrechen? Ich kann nicht … Ich kann einfach nicht mehr.
Also gut. Irgendwann hab ich geschrien. Hinter uns im Wald raschelte es. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Vielleicht weil Craig mir wehtat, vielleicht wegen der Geräusche im Wald. Ich weiß nicht. Alles ging so schnell, dass ich gar nicht sagen kann, wie alles genau ablief.
Ich hab versucht, Craigs Oberkörper wegzustoßen und ihn von mir abzuschütteln. Er war schwer. Und stark. Ich konnte ihn nicht loswerden.
Dann schoss dieser Schatten aus dem Wald. Es war Will. Er schrie: »Geh von ihr runter, du Schwein! Geh sofort von ihr runter!« Craig zog und zerrte an mir. Um mich zu beschützen? Um mich festzuhalten? Keine Ahnung. Er schrie jetzt auch, wir beide schrien, alle schrien. Je mehr ich um mich schlug, desto brutaler hielt Craig mich fest. Ich drückte und boxte und kratzte ihn. Dann verhakten sich meine Finger in dem Lederband, das er immer um den Hals trug, das mit den grün-schwarzen Keramikperlen, die er so gern hatte. Ich hatte sie ihm mal geschenkt, weil ein Unendlichkeits-Symbol draufgemalt war. Ich zerrte an dem Band, um meine Finger wieder frei zu kriegen. Es riss … und plötzlich war ich frei.
Ich rannte sofort los.
Das war’s. Mehr weiß ich nicht. Okay? Ich rannte zu meiner Party zurück.
Bitte hören Sie auf, mich mit Fragen zu löchern! Es ist so schon schrecklich genug.
Sonst sag ich gar nichts mehr. Auch eine Möglichkeit.
Okay, danke.
Will
Dieses Geräusch! Ich kann es jetzt noch hören. Wie der Driver auf seinen Kopf traf. Als ob eine Nussschale platzt, nur nasser. Als ich dieses Geräusch hörte, wurde mir klar, was ich getan hatte. Die Erde hörte auf, sich zu drehen, und für einen Moment war ich starr vor Entsetzen. Ich glaub, ich stand unter Schock.
Nein, bitte! Sie brauchen mir das Foto nicht noch mal zu zeigen. Ich hab doch schon gesagt, dass ich es war. Aber vergessen Sie nicht, dass er drauf und dran war, Asheley zu vergewaltigen!
Ich wusste, dass er tot war. Er konnte unmöglich nicht tot sein. Es war ein schrecklicher Anblick. Wie er da lag, mit verdrehten Beinen, den Kopf nach hinten geknickt, als ob er schreien wollte. Aber er schrie nicht. Er war mucksmäuschenstill. Sein Blut sickerte in die Kiefernnadeln, die den Boden bedeckten. Ich stand über ihm, den Driver schlaff in der Hand. Das Ende war ganz klebrig von seinem Blut und zitterte bei jeder leisen Bewegung meiner Finger.
Ich setzte mich in Bewegung, noch ganz benommen, und achtete nicht auf den Weg. Ich ging ganz langsam, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Wie ein Betrunkener. Ich schlug nach einer Mücke auf meinem Kopf, und als ich danach meine Hand ansah,
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